25 FRANZISKANER 3|2024 Geistlicher Wegbegleiter Herbst 2024 Ich möchte mit Gott sprechen wie mit einem Freund. Ich möchte all das Ungesagte und Ungefragte loswerden dürfen. Ich möchte Gott konfrontieren – und gehe das Risiko ein, von ihm selbst konfrontiert zu werden. Denn Beten ist ja nicht nur eine Bitte, eine Klage, ein Dank seitens des Menschen in Richtung Gott: Die Antwortmöglichkeit seinerseits in Kauf nehmend oder erwartend, braucht es meine Bereitschaft, mich selbst korrigieren oder infrage stellen zu lassen. Beten heißt: nicht mit Gott fertig zu sein. Dass dabei die großen Fragen des Lebens offenbleiben und ihre Antwort erst später finden, bleibt einzukalkulieren. Lieber Gott! Ich lasse dich nicht, ich bin mit dir noch nicht fertig. Wir sind zusammen unterwegs, vielleicht ist es ein Pilgerweg, vielleicht eine Wallfahrt. Vielleicht auch nur eine kleine Lebensetappe. Nur heute. Eine kurze Strecke gehst du schweigend neben mir, dann blickst du mich aus den Augenwinkeln an: ich mit dir auch noch nicht. Beleidigt könnte ich mich jetzt wegdrehen, aber das ist mir zu einfach. Jetzt bist du schon mal da, dann entlasse ich dich nicht aus der Verantwortung. Aus der Verantwortung, mir eine Antwort zu geben. Schließlich hast du dich mit auf meinen Weg begeben, ich habe dich nicht darum gebeten. Jetzt bist du da, und ich lasse dich nicht. Warum gehst du nicht dazwischen? – bricht es aus mir heraus. Warum hältst du dich raus aus dem Schlamassel der Welt? Warum lässt du uns weiter und weiter Wunden schlagen, einer dem anderen, warum hältst du den Kreislauf des Rades, des Hasses, des Todes nicht an? Es sprudelt nur so, ich kann mich kaum beruhigen. Mein Gespräch mit Gott ist vorwurfsvoll. Ich kann nicht anders. Gott schweigt wieder. Kaum auszuhalten, die Welt, wie sie ist, sagt er schließlich. Zwei Fragen habe ich an dich, sagt er dann. Erstens: Sollte ich euch die Freiheit nehmen? Zweitens: Würdest du auch wollen, dass ich in dein Leben eingreife? Danach sagt er nichts mehr. Wo ich Antworten wollte, bleiben Fragen. Nein, Gott, mit dir bin ich noch lange nicht fertig. Andreas Brands OFM
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