Franziskaner - Herbst 2024

28 FRANZISKANER 3|2024 Interview und Bearbeitung Johannes Roth OFM und Thomas Meinhardt Tief verwurzelt Jahrhundertelanger christlicher Antisemitismus Antisemitismus und antisemitische Straftaten haben seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem anschließenden Krieg in Gaza auch in Deutschland stark zugenommen. Jüdinnen und Juden sind zunehmend Beleidigungen, Beschimpfungen bis hin zu körperlichen Angriffen ausgesetzt. Viele fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher. Vor diesem Hintergrund wollen wir der Frage nachgehen, wie es aktuell um das christlich-jüdische Verhältnis bestellt ist, welche Relevanz der historische christliche Antisemitismus bis heute hat und welche Erwartungen insbesondere jüdische Partner an die christlichen Kirchen haben. Darüber sprachen unsere Redakteure Johannes Roth OFM und Thomas Meinhardt mit dem Rabbiner Jehoschua Ahrens und dem Schweizer Jesuiten Christian Rutishauser. Rabbiner Ahrens, wie beurteilen Sie die Reaktionen der christlichen Kirchen und des Papstes auf das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und den Krieg in Gaza? Haben diese Reaktionen der christlichen Kirchen und des Papstes auch Einfluss auf das christlich-jüdische Verhältnis? Jehoschua Ahrens: Auf der einen Seite gab es Reaktionen, die für uns positiv waren und die deutlich machten, dass man auch außerhalb Israels an der Seite der Juden steht. Denn es geht nicht nur um den 7. Oktober, sondern auch darum, was hier in Deutschland und Europa passiert. Die Deutsche Bischofskonferenz beispielsweise hat sich klar und deutlich geäußert, und Rabbiner Apel, Rabbiner Soussan und ich waren als rabbinische Vertreter zu einer Sitzung eingeladen. Dort haben wir gespürt, dass es großes Verständnis und große Solidarität gibt. Das gibt es auch in den evangelischen Kirchen. Auch Papst Franziskus, dem ich und andere einen offenen Brief geschickt hatten, hat nach einiger Zeit eine gute Antwort an Jahrhundertealte antisemitische Schmähungen – wie diese als »Judensau« bezeichnete Plastik in Wittenberg – sind noch immer an und in alten evangelischen und katholischen Kirchen zu finden © PICTURE ALLIANCE/DPA

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