34 FRANZISKANER 3|2024 Franciscans International (FI) ist eine Organisation der weltweiten »Franziskanischen Familie« und hat einen allgemeinen Beraterstatus bei den Vereinten Nationen. Die Nichtregierungsorganisation unterhält Büros in Genf und New York und hat Zugang zu allen wichtigen UN-Gremien. Als Anwältin für Menschenrechte bringt FI Anträge ein und unterstützt Angehörige benachteiligter Gruppen, ihre Anliegen direkt vor den zuständigen UN-Gremien zu vertreten. www.franciscansinternational.org Hilfe für Geflüchtete: Aufgeben ist keine Option In ganz Europa verschärft sich die Haltung gegenüber Flüchtlingen und Migrant:innen. Fast überall gewinnen rechtsextreme Parteien bei Wahlen stetig an Zustimmung. Nach dem Brexit-Referendum und dem Versprechen, »die Kontrolle zurückzuerlangen«, hat Großbritannien eine der härtesten Migrationspolitiken in Europa eingeführt. »Es war die erklärte Politik der konservativen Partei, unser Land ›flüchtlingsfeindlich‹ zu machen. Es ist unglaublich, dass sie diese Worte tatsächlich benutzt haben, aber sie waren stolz darauf«, sagt Abigail Martin, Leiterin des St. Chad Sanctuary in Birmingham, das im letzten Jahr über 2.000 Asylbewerberinnen und -bewerber unterstützt hat. »Als diese Begrifflichkeit auf deutliche Ablehnung stieß, veränderte die Tory-Regierung etwas ihre Sprache, doch die Realität wurde eher schlimmer.« Die Idee hinter dieser Politik war einfach: Die Bedingungen so schlecht zu machen, dass die Menschen nicht nach Großbritannien kommen wollen, um Asyl zu beantragen – selbst wenn sie einen legitimen Anspruch darauf haben. Bei ihren Bemühungen war die Regierung bereit, britisches Recht und internationale Verträge zu ignorieren. Obwohl es kaum Belege dafür gibt, dass diese Taktik die Zahl der Asylanträge verringert hat, sieht Abigail im St. Chad Sanctuary jeden Tag die Auswirkungen dieser Politik für die Geflüchteten. Asylbewerberinnen und -bewerber dürfen in Großbritannien weder arbeiten noch ein College besuchen, um Englisch zu lernen. Stattdessen werden sie in Hotels untergebracht, während ihre Anträge bearbeitet werden – isoliert vom Rest der Gesellschaft. Eigentlich sollte innerhalb von sechs Monaten über die Asylanträge entschieden werden, aber das System ist so dysfunktional geworden, dass die Regierung dieses Ziel einfach abgeschafft hat. »Jetzt sind die Menschen bis zu zwei Jahre in diesen Hotels untergebracht. Die Öffentlichkeit denkt: ›Oh, das ist ein schöner Ort, ich war dort auf einer Hochzeit‹, aber sie werden nicht wie Hotels geführt«, berichtet Abigail. »Dinge gehen kaputt und werden nicht repariert. Es ist schmutzig. Die Menschen sind nicht sicher. Und unter solchen Bedingungen müssen Familien, Frauen und Kinder leben.« Obwohl viele der Schutzsuchenden unter Traumata leiden, werden die Gebäude von einer Sicherheitsfirma verwaltet, und das Personal hat keine spezielle Ausbildung. Die täglich angebotenen Mahlzeiten sind oft ungesund, und besondere Ernährungsbedürfnisse werden nicht berücksichtigt. Zusammen mit sechs Mitarbeitenden und hundert Freiwilligen – darunter einige Franziskaner – versucht Abigail, die Migrantinnen und Migranten so gut wie möglich zu versorgen. Da die Betroffenen nur neun Pfund pro Tag für ihren Lebensunterhalt erhalten, teilen sie in St. Chad gespendete Kleidung, Lebensmittel, Hygieneartikel und andere praktische Dinge aus. Die Einrichtung bietet auch Englischkurse und Möglichkeiten zur freiwilligen Mitarbeit an. »Wir bieten Möglichkeiten, damit die Menschen etwas zu tun haben und einen Sinn darin sehen«, sagt Abigail. »Aber das Wichtigste ist, dass wir die Menschen herzlich willkommen heißen, denn das System ist so feindselig.« Das »Ruanda-Modell« Diese Feindseligkeit gipfelte in der sogenannten Ruanda-Regelung. Dieser Plan sah vor, dass Asylbewerberinnen und -bewerber in das kleine ostafrikanische Land abgeschoben werden, während ihre Anträge bearbeitet werden. Wird ihnen Asyl gewährt, dürfen sie nicht nach Großbritannien zurückzukehren sondern können in Ruanda bleiben statt abgeschoben zu werden. Obwohl das Programm mit Kosten von bis zu zwei Millionen Euro pro Person veranschlagt war, wurde es von anderen Regierungen in Europa – auch in Deutschland – mit Interesse verfolgt. Die Regelung stieß schnell auf rechtliche Bedenken. Rechtsexpertinnen und -experten argumentierten, dass die Maßnahme gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstößt – ein Eckpfeiler des internationalen Rechts, der nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt © FRANCISCANS INTERNATIONAL (FI)
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