7 FRANZISKANER 3|2024 Haltung als Wundmale Christi gedeutet werden. Das Verb »stigmatisieren« ist im Deutschen bereits im 16. Jahrhundert belegt. allen deinen Kirchen auf der ganzen Welt, und wir preisen dich, weil Du durch dein heiliges Kreuz die Welt erlöst hast. So lässt sich für Franziskus über das Ereignis des Empfangs der Wundmale sagen: Franziskus wird in das verwandelt, was er liebt. Der Ausgangspunkt der Wundmale, wie sie in die christliche Tradition Eingang gefunden haben, liegt in der Kreuzigung Jesu. In allen vier Evangelien wird die Passion Jesu von der Verhaftung bis zur Grablegung verkündet. Ihnen schließen sich die Berichte von der Auferstehung an. Ich kann mich erinnern, wie ich im Kino in der Verfilmung der »Passion Christi« in die blutigen Qualen und die menschenverachtende Hinrichtung hineingezogen wurde und das erste Mal verstanden habe, dass es nicht ein harmloser Text ist, der uns am Palmsonntag und Karfreitag in der Liturgie vorgelesen wird, sondern die Beschreibung eines grausamen Todes, der mit großen körperlichen Strapazen und fürchterlichen Schmerzen verbunden ist. Der Auferstandene aber trägt die Wundmale. Sie werden zum Erweis dessen, der am Kreuz gestorben ist. Jesus zeigt seine Wunden. Er versteckt sie nicht, hält sie seinen Jüngern unter die Nase. Und Thomas, der nicht dabei ist, macht das Sehen und Betasten der Wundmale zur Bedingung seines Glaubens. Jesus nimmt Thomas ernst. Er zeigt ihm seine Wunden. Er lädt ihn ein, diese Wunden zu berühren, damit er sie im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen kann. © TAUAV STOCK.ADOBE.COM Fresko »Stigmatisation des heiligen Franziskus« in der Basilika San Francesco in Assisi. Die franziskanische Tradition datiert das hier von Giotto dargestellte Ereignis auf den Herbst 1224. Diese Lesart geht auf die ersten franziskanischen Biographen zurück. Nach dem Stand der aktuellen franziskanischen Forschung spricht allerdings vieles dafür, das die nach Franziskus' Tod entdeckten Wunden, erst kurz vorher entstanden sind. Gleichwohl erlebte Franziskus auf dem Berg La Verna während einer tiefen Krise zwei Jahre vor seinem Tod eine überwältigende Vision. Sie dokumentiert sich in einem Lied, das er noch auf dem Berg verfasste. Dieser Text lässt Rückschlüsse auf die tiefe spirituelle Erfahrung zu, die Franziskus im Herbst 1224 auf La Verna machte. Vor dem Hintergrund der heutigen Forschung wäre die nachhaltig prägende Vision allerdings getrennt von der Stigmatisation zu betrachten.
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