Franziskaner - Winter 2024

Das Boot der Geflüchteten hat mitten im Meer einen Motorschaden und treibt zwischen der Nordküste Afrikas und der italienischen Insel Lampedusa. Oft werden völlig ungeeignete Boote in Tunesien und Libyen losgeschickt, meist fehlt es an Rettungswesten, Wasser und Nahrung auf den Booten. Zum »Moltivolti« kehren wir in den nächsten Tagen nochmals zurück. Es ist heute eine »angesagte, urbane Location«, die auch in Berlin oder New York zu finden sein könnte. Aber es steht in einem armen Viertel von Palermo. Und es arbeiten dort eigentlich nur Menschen, die über das Mittelmeer nach Italien geflüchtet sind. Gegründet wurde das »Moltivolti« von einer Freundesgruppe aus Palermo. Sie beschlossen, dass sie einen Ort für Geflüchtete schaffen wollen, an dem sie nicht nur Arbeit, Ausbildung und Perspektiven bekommen, sondern auch einfach einen schönen Ort zum Treffen und Leben haben. Zu den Anfängen des Restaurants ist heute noch eine Eisdiele, ein Café, ein Co-Working-Space und ein Gästehaus hinzugekommen. Eine der Gründerinnen, Roberta, betont uns gegenüber immer wieder, dass es schöne Orte braucht, Orte, wo Menschen sich wohlfühlen können. Und sie sagt uns, dass sie viel lernen mussten. Auch im Umgang mit den Geflüchteten. Es sei einfach zu sagen, dass man mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren und arbeiten will. Das wirklich umzusetzen, sei ein Lernprozess. Im »Moltivolti« selbst sind auch andere NGOs zu Hause. »Intersos« zum Beispiel hat hier ihr Büro. Auch sie lernen wir kennen. Der Stützpunkt der NGO in Palermo ist vor allem ein Gesundheitsdienst für vulnerable Menschen. Die Mitarbeitenden fahren mit Krankenwagen, die als mobile Behandlungszimmer ausgestattet sind, zu jenen Menschen, die sonst keine medizinische Versorgung bekommen. Auch hier ist es egal, ob der Grund hierfür Flucht, Armut oder zugrunde liegende Erkrankungen wie Sucht sind. Sie bieten sowohl medizinische als auch psychologische Erstversorgung an und arbeiten eng mit interkultuDie Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) Im Mai 2024 hat die Bundesregierung zusammen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) beschlossen. Teile davon sind bereits in Kraft getreten, bis Sommer 2026 soll die GEAS-Reform vollständig umgesetzt werden. Die bisherige europäische Regelung sollte die Gleichbehandlung von Asylsuchenden innerhalb der EU sicherstellen und bestand hauptsächlich aus drei Rechtsakten: • der Aufnahmerichtlinie, die Mindeststandards für die Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden definiert; • der Verfahrensrichtlinie, die die Durchführung des Asylverfahrens konkretisiert; • sowie der Qualifikationsrichtlinie, die die Kriterien für die Gewährung von Flüchtlingsschutz und die damit verbundenen Rechte festlegt. Die Reform der bisherigen Regelung gilt als weitreichendste Änderung der vergangenen Jahrzehnte. Während nun europaweit ein einheitlicheres Vorgehen in der Migrationspolitik zu erhoffen ist, wird eine repressive Verschärfung kritisiert, die den Zugang zu einem vollwertigen Asylverfahren und das Recht auf Schutz massiv erschweren würde. Welche wichtigen Änderungen gibt es? 1. Screening-Verordnung: Es soll eine Identitätsfeststellung und Sicherheitsüberprüfung direkt an den EU-Außengrenzen geben. Dazu gehören Fingerabdrücke, Identitätsfeststellung, eine Prüfung des Gesundheitszustands und potenzieller Sicherheitsrisiken. Das Verfahren soll maximal sieben Tage dauern. Die einreisenden Personen können für die Zeit des Verfahrens festgehalten werden. 2. Asylverfahrensordnung: Personen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von 20 % oder weniger kommen, sowie Personen, die im Screening-Verfahren keine Identitätsdokumente vorweisen können oder widersprüchliche Angaben machen, werden im Grenzverfahren behandelt. Hier soll ein Schnellverfahren mit eingeschränktem Zugang zu Rechtsmitteln gegen ablehnende Asylbescheide entstehen, welches maximal zwölf Wochen dauern und an der EU-Außengrenze durchgeführt werden soll. 3. Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung: Sie regelt die Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU. Die Zuständigkeit für Asylanträge bleibt bei den Staaten der Ersteinreise, aber die Europäische Kommission soll jedes Jahr einen Umverteilungsschlüssel konzipieren, nach dem mindestens 30.000 Schutzsuchende aus besonders belasteten Staaten umverteilt werden. Es soll außerdem ein gemeinsames Budget für die Finanzierung von Aufnahmemaßnahmen entstehen. 4. Krisenverordnung: Im Falle einer Krise sollen Schnellverfahren für alle ankommenden Schutzsuchenden angewandt werden können. Asylbewerberinnen und -bewerber können bis zu 18 Wochen unter haftähnlichen Bedingungen an der EU-Außengrenze festgehalten werden und von dort im Eilverfahren abgeschoben werden. Weitere Änderungen betreffen die Grenzschutzagentur der EU »Frontex«, die zusätzliche Finanzmittel und Befugnisse erhalten soll, sowie die Möglichkeit, dass Staaten Ausgleichszahlungen tätigen, anstatt Schutzsuchende aufzunehmen. Die Reform wurde von NGOs, zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Akteuren stark kritisiert, da befürchtet wird, dass Menschenrechte missachtet werden und das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft wird. © PICTURE ALLIANCE/DPA/OLIVER WEIKEN

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