12 FRANZISKANER 4|2024 Lampedusa – Tor nach Europa Als unsere Fähre nach zehnstündiger Fahrt in den kleinen Hafen von Lampedusa einläuft, sehen wir die ersten Geflüchteten. Sie stehen umstellt von Polizisten am Steg unter Zelten des Roten Kreuzes und werden mit der Fähre nach Palermo fahren, sobald wir von Bord gegangen sind. Die Situation scheint absurd: Wir gehen mit unseren großen Reisetaschen von Bord, vorbei an den wartenden Geflüchteten, während sie nur kleine Plastiktüten mit all ihren Habseligkeiten dabeihaben. Wir werden nur wenige Tage auf der Insel verbringen, haben aber das Zehnfache an Gepäck dabei. Als wir versuchen, im Vorbeigehen kurz Kontakt herzustellen oder sie nur anzulächeln, stellen sich die Polizisten in unseren Weg und schicken uns weiter. Nicht mal ein Lächeln, um diese Menschen in Europa zu begrüßen? Später erfahren wir von den Freiwilligen von »Mediterranean Hope«, einer zur evangelischen Kirche gehörenden NGO, dass die Geflüchteten während der Überfahrt nur einen Sitzplatz in einem abgesperrten Trakt der Fähre haben, nicht wie wir eine Kabine mit Bett. Oft wissen sie nicht mal, wohin sie gebracht werden. Während der zehnstündigen Überfahrt dürfen sie ihren Sitzplatz nur verlassen, um von einem Polizisten begleitet auf die Toilette zu gehen. Es gibt so viele kleine Schikanen, dass sie zusammengenommen für uns ein Muster ergeben: Abschreckung! Der Gedanke scheint zu sein: »Umso schlechter wir mit euch umgehen, umso eher werdet ihr euren Familien und Freunden abraten hierherzukommen.« Zuhause sterben soll besser sein, als hier zu leben. Das ist unsere Willkommenskultur? Wir schämen uns, während wir an den Menschen am Dock vorbeigehen. Eine Freiwillige, die für »Maldusa« arbeitet, berichtet uns von ihren Verfahrungen. »Maldusa« ist in Palermo und auf Lampedusa engagierte NGO, die für die Rechte von Geflüchteten eintritt. Wie andere NGOs auch, hat es sich Maldusa zur Aufgabe gemacht, »das Auge der Öffentlichkeit« zu sein. Sie beobachten das Vorgehen der italienischen Küstenwache und der europäischen Grenzschutzagentur »Frontex«. Dieses Monitoring, wie es genannt wird, ist in den letzten Jahren immer mehr erschwert worden. Inzwischen können NGOs in Lampedusa nur noch kurz, direkt bei der Ankunft am Hafen, Kontakt zu Geflüchteten aufnehmen. »Mediterranean Hope« hat ein Abkommen mit der Küstenwache, sodass sie nicht nur über ankommende Boote informiert werden, sondern auch bei der Ankunft der Menschen am Hafen mit sechs Personen dabei sein können. Wir selbst haben die Ankunft eines Flüchtlingsbootes am Hafen miterlebt. Wir waren gerade auf der Insel angekommen, als ein kleines, schwarzes Metallboot in den Hafen einfuhr. Direkt neben unserer Fähre tauchte das nur knapp aus dem Wasser ragende Boot auf, vollgestopft mit Menschen. Die Frontex-Grenzschutzbeamten holten die Menschen sofort auf ihr eigenes Boot und brachten sie an einen speziellen Steg. Informationen können Leben retten Am Steg selbst begleiten die sechs zugelassenen Freiwilligen die Arbeit von Küstenwache, Frontex und Polizei und versuchen, den Geflüchteten die Informationen zu vermitteln, die über den Erfolg ihrer Flucht entscheiden könnten. Denn während Frontex versucht, so schnell wie möglich Hinweise zu bekommen, wer das Boot gesteuert hat, werden den Menschen, die gerade die Reise über das Mittelmeer überlebt haben, nur wenige bis gar keine Informationen gegeben, was mit ihnen geschehen wird. Obwohl alle wissen, dass diejenigen, die die Boote steuerten auch nur Geflüchtete sind, werden in jeder ankommenden Gruppe mindesten zwei Menschen als Schlepper verhaftet. Die wirklichen Schlepper, die Geld dafür bekommen, betreten die Boote selbst nicht. Die als Schlepper auserkorenen Geflüchteten werden gemäß der italienischen Gesetzgebung auf der Grundlage der Mafia-GeEin Großteil der landwirtschaftlichen Arbeit im Süden der EU funktioniert nur durch die Ausbeutung von Menschen ohne Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnisw Anders geht die Bio-Kooperative »Valdibelle« mit den Menschen um. Bei unserem Besuch erfahren wir, dass hier auch ausgebildet wird und faire Löhne gezahlt werden. © PICTURE ALLIANCE / AP IMAGES/ANTONIO CALANNI | © KERSTIN MEINHARDT
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