20 FRANZISKANER 4|2024 verliert. Marcel Fratzscher hat völlig recht, die deutsche Wirtschaft braucht diese Menschen, um Arbeitskräftelücken zu decken. Aber auf kommunaler und auf Nachbarschaftsebene sieht das anders aus. Neben der Forderung, Hindernisse abzubauen, sollte berücksichtigt werden, dass Migration nicht nur eine wirtschaftliche Seite hat, sondern immer auch eine politische und eine kulturelle Seite. Das war auch bei der Gastarbeiteranwerbung in den 1960er-/1970er-Jahren der Fall. Anfangs waren alle Parteien angeblich mit der Situation zufrieden. Aber Menschen kommen nicht bloß als Arbeitskräfte, sondern auch als Menschen, die politische Interessen haben; als Menschen, die religiöse Praktiken leben; als Menschen, die gleichwertig behandelt werden wollen. Diese Konflikte haben wir heute auch. Ich denke nicht, dass solche Konflikte per se problematisch sind. Nur sollte man sich, wenn man wirtschaftliche Aspekte betont, immer rückversichern und wissen, dass Fragen der Wirtschaft auch Fragen der Verteilung sind. Sonst machen rechtspopulistische Parteien und Politiker:innen damit ihr Geschäft. Wie würde Ihre Priorisierung für eine humane und menschenrechtskonforme Asyl- und Migrationspolitik aussehen, die auch die Ängste und Überforderungen vieler Menschen berücksichtigt und die zukunftsfähig ist? Eine solche Politik kann ich hier nicht skizzieren. Aber ich kann zumindest darauf verweisen, welche Perspektiven nützlich oder sinnvoll sein könnten. Meines Erachtens nach müssten humanitäre Fragen zusammen mit wirtschaftlichen Fragen diskutiert werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig klarzustellen, um welche Dimensionen es sich eigentlich handelt, wenn über Geflüchtete gesprochen wird. Etwas mehr als einer von 100 Menschen auf der Welt ist ein Flüchtling. Das ist keine Riesenzahl. Ich glaube, auch wenn vieles in der Diskussion nicht über rationale Argumente verläuft, wäre doch ein Verweis auf rational nachvollziehbare Größendimensionen wichtig. Zweitens ist viel stärker darauf hinzuweisen, dass es die sogenannte irreguläre Migration gar nicht gibt. Nach dem Asylrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention gibt es gar keine andere Möglichkeit, in sichere Länder zu gelangen – egal mit welchen Papieren oder ohne Papiere. Auf derartige Mechanismen müsste viel stärker und immer wieder in der Diskussion verwiesen werden. Ukraine unbekannt/ ohne Angabe EU übriges Europa Asien Afrika Amerika Australien/ Ozeanien 8 % 33 % 31 % 20 % 5 % 4 % 0,3 % 276.000 189.000 126.000 106.000 102.000 62.000 50.000 49.000 46.000 34.000 32.000 26.000 26.000 23.000 23.000 Indien Polen Ungarn Nordmazedonien Rumänien Afghanistan Russland Syrien Spanien Türkei Italien USA Bulgarien Serbien Zuwanderung Herkunftsgebiete von nach Deutschland zugezogenen Personen, 2023 Statistisches Bundesamt | Nachbau meinhardt | Werte gerundet | Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2024 Ausländer Deutsche
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