Franziskaner - Winter 2024

24 FRANZISKANER 4|2024 Geistlicher Wegbegleiter Winter 2024|25 Eine zwischenmenschliche Notiz als Beginn des Gebets. Ein Ausruf des Erschreckens. Und doch eine höchst göttliche Anrede. Zumindest auf den zweiten Blick. Das Gespräch zwischen Beter und Gott knüpft an Erwartungen an: Wie siehst du aus! Ich hätte dich anders erwartet – erhofft, erträumt. Das große Thema unserer christlichen Religion ist das Gottesbild. Das, was überliefert wurde. Das, was sich verfestigt hat. Das, was trügt. Du sollst dir kein Bild machen – so leicht gesagt, so schwer für uns Menschen. Das Zwiegespräch mündet nicht so sehr in der Frage, sondern in der Feststellung, dass ich eine Leinwand brauche, auf der Konturen erkennbar werden. Von meinem Gegenüber brauche ich doch ein Bild … Obwohl: Heißt beten nicht auch das Bild von sich selbst ändern? Mein Gott, wie siehst du denn aus? Erschrocken blickte ich ihn an. Was denkst denn du, wie ich aussehen sollte? Er trug einen grauen alten Mantel, ungepflegt wirkte er, unrasiert, die Hände in den Manteltaschen vergraben. Auf dem Kopf saß die Baskenmütze etwas verrutscht. Ich hatte gedacht, du … Spar dir dein Denken! Überprüfe deine Sichtweise! Lass die Bilder! Scharf hatte er sie formuliert, die drei Imperative. Und sie ergänzt: Seit jeher wollt ihr mich in Schubladen pressen, hinter die Bilderrahmen spannen, die ihr euch für mich ausgedacht habt. Du machst dir kein Bild, wer ich bin. Zu wem aber sollte ich beten, wenn ich mir dich nicht ausmalen darf?

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