40 FRANZISKANER 4|2024 Franziskanische Lebensgeschichten Wie sie wurden, was sie sind … Die Reihe zu franziskanischen Berufungs- und Lebensgeschichten ist als Audio-Podcast verfügbar. Auf vielen bekannten Podcast- Plattformen wie Spotify oder iTunes und auf ▶▶ www.franziskaner.de sind die fünf bis neun Minuten dauernden Audio-Tracks erhältlich. gemacht hatte«, sagt der heute 51-Jährige. Auf seinem spirituellen Weg erlebte der ehemalige Franziskaner die »Vision Quest« als etwas, was ihm die franziskanische Schöpfungsspiritualität nicht bloß allein theoretisch nahebrachte. In dieser Visionssuche, die im Kern ein viertägiges Fasten in der Wildnis auf der Suche nach Gott ist, erfuhr er sich als Teil des Lebendigen. Diese Erfahrung wollte er weitergeben und machte vertiefende Ausbildungen in diesem Bereich. Daraus entstand die Franziskanische Lebensschule. Wahrscheinlich würde der Theologe heute noch als Journalist arbeiten, aber irgendwann ließ sich die Initiative »barfuß & wild« mit den unterschiedlichen Kursangeboten nicht mehr neben der Festanstellung bewältigen. So leitet er heute sein Unternehmen von Bingen am Rhein aus, wo er mit seiner Frau und zwei Söhnen lebt. Die meisten Angebote der Lebensschule sind ganz auf Jan Frerichs zugeschnitten und profitieren von seiner theologischen und seelsorglichen Qualifikation. Deutlich ist bei allem stets seine tiefe Verwurzelung in der franziskanischen Spiritualität. Wegen dieser franziskanischen Ausrichtung wurde Carola Baden ursprünglich auf die Plattform aufmerksam: »Ich hatte nach einem franziskanisch inspirierten Angebot gesucht und das bei ›barfuß & wild‹ gefunden. Später merkte ich dann in den Chatgruppen, dass viele der Teilnehmenden keinen christlichen Background haben, aber spirituell Suchende sind. Andere haben sich von der Kirche abgewandt, wieder andere sind durchaus stark in ihrer Gemeinde engagiert. Für mich ist das eine gute Mischung. Ich treffe dort auch Menschen, die wie ich in franziskanischen Zusammenhängen aktiv sind. Bruder Jan bringt immer wieder die franziskanische Tradition mit ein. Und wenn er von einer herrschaftsfreien, schöpfungsnahen ›wilden‹ Kirche spricht, scheint für mich viel von dem Kirchen- und Gottesbild des Poverellos aus Assisi durch.« Das Leben spüren Jan Frerichs geht es bei seinen Angeboten nicht um »Selbstoptimierung« oder um das Erlernen irgendwelcher Techniken. Es ist mehr ein Ort, den er bietet, auch mit den Online-Angeboten, die es neben den Präsenzkursen gibt. Er meint, dass es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seiner Angebote bei aller Unterschiedlichkeit eint, dass sie froh darüber sind, einen Ort gefunden zu haben, an dem sie als Erwachsene in ihrer persönlichen und spirituellen Entwicklung wirklich ernst genommen werden. Kürzlich gab er in einem Interview zu bedenken, dass es wenige spirituelle Angebote für Erwachsene gäbe, in denen sie in ihrer Autonomie angesprochen werden. »Die Antworten auf Lebensfragen, die sie sich stellen, kommen ja nicht von außen, indem ich noch diese oder jene Technik erlerne oder bloß irgendein Wissen aufsammle, sondern sie kommen aus einem tiefen inneren Wissen, das wir besser bezeichnen können mit dem Begriff ›Weisheit‹. Erwachsene brauchen keine Ratschläge, aber durchaus ›Räume‹, in denen sie zu dieser Weisheit gelangen können.« Für Carola Baden ist durch die Franziskanische Lebensschule »barfuß & wild« genau so ein Raum entstanden. Die auch außerhalb der Kurse täglich am Morgen zugesandten Mini-Impulse empfindet sie als willkommenen Anstoß und die wöchentlichen Podcasts von Bruder Jan als Bereicherung. »Eine meiner Freundinnen, der ich die Website empfohlen hatte, meinte, es sei für sie zu ›amerikanisch‹ und als franziskanisches Angebot käme es für sie zu perfekt und geschäftsmäßig daher. Das sehe ich nicht so. Ich finde, dass bei ›barfuß & wild‹ eine gute Arbeit geleistet wird, die auch was kosten darf.« Sie hofft, demnächst einen Waldtag bei Jans Kollegin Dorothee Bergler in einem Naturschutzgebiet nahe Bremen buchen zu können. »Wir sind in unserer westlichen Kultur vor allem zweck-, lösungs- und ergebnisorientiert. Wir fragen uns meist, wie wir die Zeit am effektivsten nutzen können. Davon bin ich keineswegs frei. Manchmal versuchen wir, mit dieser Haltung auch zu spirituellem Wachstum zu gelangen. Aber ich habe den Eindruck, dass die sinnliche Erfahrung des Draußenseins, das heilige Nichtstun, dieses ›bloße Dasein‹ etwas ist, was mich Gott näherbringt. Wenn ich morgens meine Raunachtrunde durch den Wald mache, habe ich hier bei uns sicher keine Wildnis, aber ich fühle mich dort trotzdem sehr lebendig und als Teil dieses großen Ganzen. Es gibt mir eine Ahnung davon, wie es sein würde, mich wirklich auf die Wildnis einzulassen und nicht mehr außenstehende Zuschauerin zu sein, die alles bewertet. Aber auch durch die Auseinandersetzung mit mir im Rahmen der Raunächte entsteht – so hoffe ich – eine Haltung, die zu einem anderen Umgang mit mir und meinen Mitgeschöpfen führt. Mit dieser Hoffnung und mit der Zuversicht, die ich in diesen Tagen nähre, will ich ins neue Jahr gehen.« WARUM WILD? »Aktion/Handeln: Die wilde Natur ist ein spiritueller Lern- und Lebensort. Schöpfungsspiritualität ist ein universales und pankulturelles Erbe. Wer sich mit seiner ›wilden Natur‹ verbindet und versöhnt, so wie Jesus, Franziskus, Hildegard von Bingen und andere Meister:innen in allen Traditionen es taten, wird ›in Fülle leben‹ (Joh 10,10) und die Kraft haben, wirklich etwas für diese Welt zu tun.« ▶www.barfuss-und-wild.de Kerstin Meinhardt
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