Franziskaner - Frühling 2025

14 FRANZISKANER 1|2025 humile et pretiosa et casta. Laudato si', mi’ Signore, per frate focu per lo quale enallumini la nocte, ed ello è bello Der Mensch in Solidarität Der Sonnengesang im Dialog mit biblischen Der Sonnengesang zählt zu den bekanntesten und einflussreichsten Texten von Franz von Assisi. Seine Wirkung reicht bis in die Gegenwart und gewinnt angesichts ökologischer Krisen sogar zunehmend an Bedeutung. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Umweltenzyklika »Laudato si'« von Papst Franziskus (2015). Oft wird der Text als Appell zur Achtung und Bewahrung der Schöpfung gelesen.Weniger bekannt ist jedoch, dass der Sonnengesang eine lange literarische Tradition fortführt, die sich über biblische bis hin zu altorientalischen Texten erstreckt. Ein zentraler biblischer Bezugstext dürfte Psalm 104 sein. Die Gemeinsamkeiten zwischen Psalm 104 und dem Sonnengesang sind deutlich erkennbar: Beide Texte lobpreisen den Schöpfergott durch die Stimme einer einzelnen Person und benennen zentrale Elemente der Natur und der Schöpfung: Himmel, Erde, Wind, Feuer, Wasser, Mond und Sonne. Am Ende wird in Psalm 104 wie auch im Sonnengesang das Thema Tod und Sünde behandelt, bevor abschließend ein Kollektiv eingeladen wird, sich dem Gesang anzuschließen. In seinem Sonnengesang zeigt Franz von Assisi eine tiefe Verbundenheit mit der Schöpfung: Der Mensch bzw. die betende Person wird in Solidarität mit der ganzen Schöpfung vorgestellt. Dieser Gedanke ist bereits in Psalm 104 angelegt sowie in ägyptischen Sonnenhymnen, in deren Tradition Psalm 104 offenbar steht. Psalm 104 ist ein umfassendes Loblied auf den Schöpfer, der die Welt in harmonischer Ordnung gestaltet hat. Der Psalm beginnt und endet mit einer Selbstaufforderung zum Lob durch die betende Stimme. Eingebettet zwischen dieser Rahmung entfaltet sich ein poetischer Schöpfungshymnus. In der Mitte des Psalms steht ein staunender Ausruf über die Vielfalt und weise Ordnung der Schöpfung, die die betende Person als Werk Gottes erkennt (Vers 24). Der Psalm betont die Größe und Erhabenheit JHWHs und verdeutlicht seine Rolle in der Gestaltung und Erhaltung der Schöpfung. Die Erschaffung von Himmel und Erde, die Bändigung der Urflut, die Entstehung von Bergen und Tälern sowie die Bestimmung von Mond und Sonne als Zeitmessgeräte werden beschrieben. Ein besonderes Augenmerk gilt dem ökologischen Gleichgewicht, in dem der Wasserkreislauf sowie die Versorgung von Tieren und Menschen harmonisch ineinandergreifen. Auºällig ist die Liebe zum Detail: JHWH wird als fürsorglicher Schöpfer dargestellt, der sich selbst um das Kleinste kümmert. Der Wildesel, der Storch und sogar der Klippdachs rücken in den Blick, und ihre Thematisierung verdeutlicht, dass das Wirken des Schöpfers alle Geschöpfe einschließt. Auch der Mensch wird in Psalm 104 im Kontext der Fürsorge Gottes für seine Schöpfung thematisiert, doch kommt diesem keine herausragende Stellung zu. Vielmehr wird der Mensch als Teil des Schöpfungswerks betrachtet. Besonders euphorisch mutet der Schlussteil des Psalms an, wenn die betende Person spricht: »Ich will JHWH singen, solange ich lebe, ich will meinem Gott spielen, solange ich da bin. Möge ihm mein Dichten gefallen. Ich, ja ich will mich freuen an JHWH« (Verse 33–34). Bei aller Freude über den Schöpfergott gerät jedoch nicht aus dem Blick, was der harmonischen Welt zuwiderläuft: Sünder und Frevler. Die betende Person bittet daher im letzten Vers darum, dass diese grundlegenden Störelemente beseitigt werden. Möglicherweise wird hier doch eine Sonderstellung des Menschen angedeutet, die darin liegt, die Ordnung durch Sünde und Frevel zu stören. Anbetung des Sonnengottes Aton. Ägyptische Sonnenhymnen und der etwa 1.000 Jahre später entstandene Psalm 104 weisen bemerkenswerte Parallelen auf. GEMEINFREI: JEAN±PIERRE DALBÉRA FROM PARIS, FRANCE UND EIN WEITERER URHEBER ± JDALBERA.FREE.FR/THEBES_2002_WEB/MUSEE_CAIRE/INDEX1.HTM LA SALLE D'AKHENATON ·1356¯1340 AV J.C.¸ ·MUSÉE DU CAIRE¸

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