Franziskaner - Frühling 2025

15 FRANZISKANER 1|2025 et iocundo et robustoso et forte. Laudato si', mi’ Signore, per sora nostra matre terra la quale ne sustenta et Prof. Dr. Melanie Peetz ist Lehrstuhlinhaberin für Exegese des Alten Testaments und Geschichte des antiken Israels an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. mit der Schöpfung und altorientalischen Texten Melanie Peetz Die Nähe von Psalm 104 zu den ägyptischen Sonnenhymnen, die bereits im Neuen Reich entstanden und somit bis zu 1000 Jahre älter sind als Psalm 104, ist in der modernen Exegese schon vor langer Zeit aufgefallen. Während diese ägyptischen Texte die göttliche Ordnung und die Leben spendende Kraft der Sonne besingen, greift Psalm 104 ähnliche Themen auf und überträgt sie in einen israelitischen Kontext. Der Psalm selbst dürfte erst im 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden sein und verdeutlicht damit eine beeindruckende Traditionsverknüpfung über Jahrhunderte hinweg. Auºällig sind die Parallelen in der detailreichen Beschreibung der Schöpfung und der Vorstellung der Gottheit als fürsorgender Erhalter. Wie in Psalm 104 bleibt auch in den ägyptischen Hymnen nichts unbeachtet: Selbst Flöhe, Mäuse und Würmer finden Erwähnung. Der Mensch nimmt dabei wie in Psalm 104 keinen herausgehobenen Platz ein, sondern erscheint als Teil der Schöpfung zwischen den Fischen im Fluss und den Vögeln am Himmel. Gemeinsam mit allen Kreaturen stimmt er in den Jubel über den Sonnengott ein (vergl. ÄHG 87E). Psalm 104 steht nicht nur in Verbindung zu ägyptischen Sonnenhymnen, sondern weist auch deutliche Bezüge zu anderen Schöpfungsaussagen innerhalb der Bibel auf. Besonders auºällig ist die Nähe zu Genesis 1. Vieles deutet darauf hin, dass die Verfasser von Psalm 104 diesen Text im Blick hatten, da Psalm 104 und Genesis 1 durch zahlreiche terminologische und motivische Gemeinsamkeiten verbunden sind. Für unsere Fragestellung ist vor allem interessant, dass beide Texte offenbar eine vegetarische Speiseordnung voraussetzen, wenn es in Genesis 1,29 heißt: »Dann sprach Gott: Siehe ich gebe euch alles Kraut, das sät Samen, welches auf der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem Baumfrucht ist, die sät Samen. Euch soll es sein zur Speise. « Eine ganz ähnliche Vorstellung wird in Psalm 104,14 formuliert: »Der (d. h. JHWH) wachsen lässt Gras für das Vieh und Kraut für den Ackerbau des Menschen, um hervorzuholen Brot von der Erde.« Neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch viele Unterschiede. Für unser Thema ist vor allem relevant, dass der Mensch in Psalm 104 nicht wie in Genesis 1 einen herausragenden Schöpfungsauftrag hat oder eine besondere Stellung in der Schöpfung markiert – etwa durch die Gottesebenbildlichkeit oder durch den Herrschaftsauftrag. Hierin steht Psalm 104 stärker in der Tradition altägyptischer Sonnenhymnen. Der Mensch ist Teil und eingebunden in der Schöpfung. Auch der Sonnengesang von Franz von Assisi lässt sich in dieser Traditionslinie verorten. In seinem Lobpreis auf Gott bezeichnet Franziskus die Geschöpfe und Elemente der Natur – Sonne, Mond, Sterne, Wind, Luft, Wasser und Feuer – sogar ausdrücklich als Bruder oder Schwester. Damit bringt er eine tiefe Verbundenheit und eine geschwisterliche Solidarität mit der gesamten Schöpfung zum Ausdruck. Schließlich bezeichnet Franziskus sogar den Tod als Schwester und fasst damit in Worte, den Tod als unausweichlichen Bestandteil des Lebens zu akzeptieren. Psalm 104 und der Sonnengesang von Franz von Assisi vermitteln eine tief verwurzelte Haltung des Staunens und der Dankbarkeit gegenüber der Schöpfung. Beide Texte laden dazu ein, die Welt nicht nur als Ressource, sondern als von Gott gegebenes und geordnetes Werk zu betrachten, das Respekt und Achtsamkeit verdient. Weiterführende Literatur: Jan Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete (ÄHG), Freiburg (Schweiz), (2)1999. Hans-Winfried Jüngling, »Wie zahlreich sind deine Werke, Jahwe«. Analyse und Interpretation von Psalm 104, in: Ders., Ich bin Gott – Keiner sonst. Annäherung an das Alte Testament, Würzburg 1981. Othmar Keel und Silvia Schroer, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen (2)2008. SÄMTLICHE ICONS AUF DER DOPPELSEITE: STOCK.ADOBE.COM | PORTRÄT: © SANKT GEORGEN ¯ ANGELIKA ZINZOW

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=