Franziskaner - Frühling 2025

17 FRANZISKANER 1|2025 per lo tuo amore, et sostengo infirmitate et tribulatione. Beati quelli ke 'l sosterrano in pace ka da te, Altissimu, … und die buddhistische Perspektive Sylvia Wetzel ist buddhistische Meditationslehrerin, Publizistin, Autorin, Pionierin eines frauenfreundlichen und kulturell übersetzten Buddhismus im Westen. www.sylvia-wetzel.de Vor etwa vierzig Jahren las ich Luise Rinsers Buch »Bruder Feuer«, eine wunderbare moderne Interpretation des Lebens von Franz von Assisi. Ich liebe den Sonnengesang, und er schwang im Hintergrund mit, als ich die ersten Vorträge zu den fünf Elementen als Symbole der fünf Arten von Weisheit im Buddhismus hörte. Die Meditation darüber kann uns helfen, Verblendungen und unheilsame reaktive Emotionen zu erkennen, die diese Weisheit verzerren. Das Element Erde steht für die Weisheit der Gleichheit, der Boden auf dem wir alle gehen und leben. Stolz und Überheblichkeit und die damit einhergehenden Minderwertigkeits- und Mangelgefühle entstehen, wenn wir uns mit anderen vergleichen. Das können wir aber nur, wenn es etwas gibt, was gleich ist. Übung: Jedes Mal, wenn wir uns überlegen oder unterlegen fühlen, können wir mehr auf das achten, was wir vergleichen, und entdecken so mehr und mehr das Gemeinsame. »Schwester Erde« trägt, hält und ernährt uns alle – Menschen, Tieren und Pflanzen. Mit der Zeit spüren wir vielleicht das Gemeinsame mehr als die Unterschiede bei dem, was wir können, wissen oder besitzen. Das Element Wasser steht für die spiegelgleiche Weisheit, die uns helfen kann, Rechthaberei, Vorurteile und Ähnliches zu bemerken. Wir lernen wie ein neutraler Spiegel einfach wahrzunehmen, was gerade auftaucht oder geschieht, anstatt die Wahrnehmung durch engstirnige und begrenzte Perspektiven und Einstellungen zu verzerren. Übung: Wir bewegen das eindrucksvolle Bild – »die Welt ist ein Spiegel und kein Fenster« – der buddhistischen Nonne Ayya Khema im Herzen und entdecken so vielleicht die Grenzen unseres Wissens. Denn es macht uns klar, dass unsere eigenen Erfahrungen in hohem Maße unsere Wahrnehmung der Welt verzerren und beeinflussen. So finden wir vielleicht auch Zugang zur Demut unserer »Schwester Wasser«. Das Element Feuer steht für die Weisheit der Unterscheidung. Habenwollen, Gier und Festhalten gelten als verzerrte Formen dieser Weisheit. Wir können nur etwas gut oder besser als anderes finden, wenn wir Details unterscheiden können. »Bruder Feuer« weist uns auf das Licht als Quelle von Erkenntnis und Verstehen und als Tor zur Welt hin. Übung: Wenn es sehr dunkel ist, freuen wir uns darüber, dass schon das Licht einer Kerze Orientierung geben kann. Das Element Luft steht für die Weisheit des klugen und mitfühlenden Handelns, deren verzerrte Formen Neid und Eifersucht sind. Wir beneiden andere um das, was wir nicht haben oder sind. Wir sind eifersüchtig auf Menschen, die das bekommen, was uns zuzustehen scheint. »Bruder Wind, Luft und Wetter« weist uns auf die viel²ältigen Bedingungen in der Natur hin, die wir und alle brauchen, um uns zu entfalten. Übung: Wir machen uns klar, dass wir nur neidisch oder eifersüchtig werden können, wenn wir viele Details bemerken. Und genau das brauchen wir für kluges, mitfühlendes Verhalten: einen klaren Blick auf Einzelheiten und Bezüge zwischen Menschen und Dingen. Das Element Raum steht für die Weisheit der Wirklichkeit, die einerseits klar sieht, was funktioniert und was nicht, und gleichzeitig weiß, dass sich alles wieder verändert und es immer genug Raum dafür gibt. Diese Weisheit kann uns von Wut, Ärger und Abwehr heilen, hinter denen immer auch ein Gefühl der Ohnmacht steht. Wenn wir uns einseitig auf das fokussieren, was gerade nicht funktioniert, neigen wir dazu, anderen oder uns selbst die Schuld dafür zu geben. Im Buddhismus steht Raumhaftigkeit auch für die tiefe unfassbare Weisheit, aus der alles entsteht. Vielleicht können wir das als einen Hinweis auf den unfassbaren Urgrund interpretieren, den Christen Gott nennen? Übung: Wir entdecken die raumhafte Weisheit der Wirklichkeit, wenn wir ab und zu auch auf das achten, was da ist und funktioniert. Dann können wir uns überlegen, was wir selbst, vielleicht mit andern zusammen, dazu beitragen können, um das Beste aus einer unangenehmen Erfahrung oder einer schwierigen Situation zu machen. Eine wunderbare Fähigkeit gerade in Umbruchzeiten. Das Feuer der Weisheit und der Wind des klugen, mitfühlenden Handelns Sylvia Wetzel

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=