19 FRANZISKANER 1|2025 skappare. Guai acquelli, ke morrano ne le peccata mortali; beati quelli ke trovarà ne le tue sanctissime voluntati, ka Lebenserfahrungen verdichtet er am Ende seines Lebens in seinem eindrucksvollsten Lied, dem »Lied der Geschöpfe« (Cantico delle creature) oder bekannter als »Sonnengesang«. In ihm preist er Gott für alle Geschöpfe, er lobt Gott mit allen Geschöpfen und dankt ihm durch alle Geschöpfe als dem höchsten, allmächtigen und guten Herrn. Er tut dies, indem er sie als »Bruder« und »Schwester« benennt: Bruder Sonne und Schwester Mond, Bruder Feuer und Schwester Wasser, Bruder Wind und Schwester Erde. Die Erde erhält ob ihrer Wichtigkeit als Einzige noch den Zusatztitel »Mutter«. Eine geschwisterlich-familiäre Beziehung bedeutet immer Verbundenheit und einen gegenseitigen Schutz. Albert Schweitzer, dessen 150. Geburtstag wir im Januar gefeiert haben, hat es in das Selbstverständnis gebracht: »Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.« Das hier abgebildete Glasfenster zeigt einen in der Schöpfung eingebundenen Franziskus. Es ziert den Chor des Klosters Königsfelden und soll bereits um 1340 entstanden sein. Die Handhaltung des Heiligen kann uns als Fingerzeig dienen: Leben wir das Modell der geballten Faust, das Modell von Eroberung und Unterwerfung oder das Modell der geöffneten Hand, das Modell von Zuwendung und Fürsorge. Betrachten wir alle Lebewesen als Objekte, die sich in Besitz nehmen lassen und der Ausbeutung dienen, oder sehen wir sie als Subjekte, die um ihrer selbst willen da sind und deren Eigenwert wir anerkennen. Nehmen wir die Welt lediglich als technische Struktur wahr, oder erfassen wir die Wirklichkeit als vernetzte Prozesse und gegenseitige Beziehungen? Ändern muss sich unsere Haltung Diese Gegenüberstellung mag zu sehr Schwarz-Weiß-Malerei sein. Es geht nicht darum, in eine Naturromantik zu verfallen, die keine Perspektive für die Zukunft ermöglicht. Aber es bedarf einer Veränderung unserer Haltung, anders werden wir es nicht schaffen, einen Lebensstil zu entwickeln, der tatsächlich Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Franz von Assisi spricht in der Strophe von Mutter Erde davon, dass sie den Unterhalt gewährt, dass sie uns ernährt und Früchte hervorbringt. Das hier gebrauchte Verb sustenta und das Substantiv sustentamento sind Vorläufer des heute gebräuchlichen englischen Wortes für Nachhaltigkeit: sustainability. Im Sonnengesang finden wir somit etwas versteckt bereits sprachlich einen Hinweis auf das notwendige Handeln. Die Nachhaltigkeit (sustainability) erfordert Genügsamkeit (Suffizienz). Dies lässt sich rein rational begründen, nur zeigt sich, dass wir Menschen selten rein rational handeln. In der Regel eher emotional. Von daher wird eine Lebensweise der Genügsamkeit besser zu leben sein, wenn sie auch spirituell unterfüttert ist. Ein »Weniger ist mehr« – im Sinne von Einschränkung und Verzicht auf übermäßigen Konsum – wird sich besser gestalten lassen, wenn ich aus einer im weitesten Sinne religiösen Motivation heraus handle. Der Begriff Motivation beinhaltet das lateinische Wort movere für bewegen. Motivation setzt mich in Bewegung und bewirkt Veränderung. Franz von Assisi würde von Demut sprechen. Ich würde es im Sinne des lateinischen Wortursprungs humilitas, in dem »Humus« steckt, als Erdverbundenheit bezeichnen. Diese basiert auf der Erfahrung, als Mensch (hebräisch adam) selbst Teil der Erde (hebräisch adama) zu sein. Andreas Lienkamp hat die Ehrfurcht als »Basistugend der nachhaltigen Entwicklung« bezeichnet. Das ebenfalls etwas antiquiert klingende Wort Ehrfurcht könnten wir heute mit Achtsamkeit wiedergeben. Von Hauptverursachern und Hauptlasten Durch die franziskanischen Orden wird zu einer weltweiten »Laudato si'-Revolution« aufgerufen. Auch innerhalb der Orden gilt es zunächst bei uns selbst zu beginnen und Konzepte zum Schutz der Mitwelt umzusetzen. Vorbild sind hier die Kinder und Jugendlichen von »Fridays for Future«, die sich für konkrete und effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel einsetzen. Auch wenn es gilt, bei sich selbst zu beginnen, darf die gestufte Verantwortlichkeit nicht übersehen werden, auf die Papst Franziskus in der Enzyklika »Laudato si'« hinweist (LS 52). Laut verschiedener Oxfam-Studien verursacht das reichste Prozent der Weltbevölkerung mit seinem extremen Konsumverhalten und luxuriösen Lebensstil genauso viele CO2-Emissionen wie die ärmeren zwei Drittel der Menschheit. Während in Deutschland das reichste Prozent für durchschnittlich 83,3 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr verantwortlich ist, sind es Menschen der Mittelschicht für 11,4 Tonnen und Menschen der ärmeren Hälfte für 5,4 Tonnen. Das bislang pauschal gebrauchte »Wir« muss sich spätestens dann differenzieren, wenn es um die Verantwortungsübernahme der Reichen und der Industrieländer sowie um konkrete politische Maßnahmen geht. Im Blick auf Konsummuster und Ressourcen(über)nutzungen ist klar, von wem Genügsamkeit vorrangig einzufordern ist. Der Sonnengesang ist zunächst einmal ein geistliches Lied, in dem alles auf Gott hin ausgerichtet ist. Heute würde Franz von Assisi den Sonnengesang wohl als ökopolitisches Lied singen. Er hat durch sein Handeln gegenüber Pflanzen, Tieren und Menschen gezeigt, wie ein schöpfungskonformes Leben zu gestalten ist. »Öko« leitet sich aus der griechischen Wurzel oikos ab, was »Haus« und »Heimstätte« bedeutet. Oikos meint dabei nicht nur das bloße Gebäude, sondern auch die im Haus gelebten Beziehungen. Der Lobpreis auf Gott beinhaltet den Schutz seiner Schöpfung und gelebte Geschwisterlichkeit. Aus der franziskanischen Spiritualität heraus können wir mit Papst Franziskus Menschen zu einem einfacheren und nachhaltigeren Lebensstil ermutigen, der ²ähig ist, sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein.
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