21 FRANZISKANER 1|2025 Licht anstelle von Finsternis für Israel und Palästina Die Organisation Tag Meir wurde im Dezember 2011 gegründet, als Reaktion auf den Überfall radikaler Fans des Jerusalemer Fußballklubs Beitar Jeruschalaim auf arabische Angestellte eines benachbarten Einkaufszentrums. Das Ereignis war kein Einzelfall, sondern ein neuer Höhepunkt in einer Reihe immer wieder vorkommender Angriffe radikaler Siedler auf Palästinenser und Palästinenserinnen im israelisch besetzten Westjordanland. Angriffe, die von Rabbinern öffentlich theologisch gerechtfertigt wurden. Da der Überfall der radikalen Fans während des jüdischen Chanukka-Fests stattfand, das mit dem Anzünden von Lichtern an die Wiedereinweihung des jüdischen Tempels erinnert, organisierte Dr. Gadi Gevaryahu, selbst orthodoxer Jude, das Anzünden von Lichtern vor dem betroffenen Einkaufszentrum. Damit sollte ein Zeichen des Lichts gegen die Finsternis des Rassismus gesetzt werden. So entstand der Name der neuen Organisation Tag Meir, was »leuchtender Zettel« bedeutet. Tag Meir steht im Gegensatz zu Tag Mechir – »Preiszettel«. So bezeichnen die radikalen Siedler ihre Über²älle – die Einforderung eines Preises, einer Vergeltung für Übergriffe an Juden und Jüdinnen. Diese »Vergeltung« gilt als kollektive Bestrafung für Vor²älle, deren Ursache allerdings oft gar nicht festzustellen ist. Toleranz und Freundschaft Tag Meir will »eine Stimme der Toleranz, der gegenseitigen Achtung und des freundlichen Umgangs gegenüber Nachbarn und Fremden unter uns hören lassen und daran (…) erinnern, dass wir, die Juden, Fremde in Ägypten waren«. Zugrunde liegt das rabbinische Prinzip: »Geliebt ist der Mensch, der im Bild (Gottes) erschaffen ist.« Tag Meir arbeitet auf pädagogischer Ebene gegen Rassismus, veröffentlicht Erklärungen gegen rassistische Vor²älle, fordert strafrechtliche Verfolgung und bringt vor allem konkrete Solidarität mit von Rassismus Betroffenen zum Ausdruck. So soll deutlich werden, dass es Jüdinnen und Juden gibt, die sich von den rassistischen Tendenzen distanzieren und diesen gerade auch aus religiöser Motivation heraus entgegentreten. Zeichen der Solidarität Ein zentrales jährliches Ereignis in diesem Zusammenhang ist der »Blumenmarsch« in Jerusalem am Tag der Wiedervereinigung Jerusalems beziehungsweise dem Tag der Besetzung des palästinensischen Ostjerusalems durch die israelische Armee im Junikrieg 1967. Die Siedlerorganisationen nutzen diesen Tag, um in einem »Flaggenmarsch« zu Tausenden durch die palästinensischen Teile der Jerusalemer Altstadt zu marschieren. Nachdrücklich wollen sie dadurch die israelische Souveränität über diesen Teil der Stadt betonen. Die Palästinenser:innen werden von der Polizei gezwungen, ihre Geschäfte zu schließen, und können ihre Häuser stundenlang nicht verlassen. Trotzdem kommt es immer wieder zu Sachbeschädigungen und verbalen und physischen Tamar A. Avraham hat einen Magister in katholischer Theologie sowie Judaistik, Islamwissenschaft und Vergleichender Religionswissenschaft studiert. Sie arbeitet in der interreligiösen Bildungsarbeit und lebt als moderne orthodoxe Jüdin in Jerusalem. Sie ist Mitglied bei Tag Meir. Honungszeichen FOTO OBEN: © PICTURE ALLIANCE ¯ ILIA YEFIMOVICH/DPA | PORTRÄT: © PRIVAT
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