Alles undnichts Frühjahr 2025| Der franziskanische Wegbegleiter An den Anfang dieser Suche nach Gott stelle ich einen Text von Gregor von Nyssa, der im vierten Jahrhundert Bischof der gleichnamigen Stadt wurde. Als Kirchenlehrer verehrt, gehörte er mit seinem Bruder Basilius von Caesarea und seinem gutem Freund Gregor von Nazianz zur Gruppe der kappadokischen Väter (Kappadokien ist eine Region in Zentralanatolien, in der heutigen Türkei). Er nahm am Ersten Konzil von Konstantinopel 381 teil und verteidigte das Glaubensbekenntnis von Nicäa gegen die Arianer, die die Lehre von der Wesensgleichheit von Gott-Vater und Gott-Sohn nicht anerkannten. Seine Gotteslehre stellt einen ersten Höhepunkt der Verschmelzung christlichen und philosophischen Denkens dar. Der nebenstehende Text von Gregor von Nyssas Einsichten klingt fast wie ein Gebet. Mich beruhigt: Auch ein großer Theologe kommt an seine Grenzen. Mag man Gott auch in einer Wissenschaft (hier: in der Theologie) zu ergründen suchen und spekulativ festlegen wollen, so bleibe ich als »Normalglaubender« immer wieder vor dem Geheimnis Gottes stehen und verstumme. Oder spanne einen Bogen zwischen zwei Polen, in denen ich Gott verorten möchte. Wie bei Gregor von Nyssa bleibt nicht mehr als das Stammeln: Du bist beides – alles und nichts. Kein Name kann dich fassen. Wie soll ich dich nennen? Allem Aneignen von Gott wird eine Grenze gesetzt: seine Unverfügbarkeit, die ihn schützt. Gott bleibt Gott, über alles Spekulieren hinaus. Er bleibt der, der nicht zu fassen ist, obwohl wir ihn doch gerne fassen möchten. Denn: Wenn wir etwas erfasst haben, dann lässt es sich auch den eigenen Fantasien unterwerfen. Gott mag es gut eingerichtet haben, dass er die Grenze der Unverfügbarkeit gezogen hat. Der Preis dafür besteht darin, dass es viele Menschen nicht vermögen, die Unüberwindbarkeit dieser Grenze auszuhalten, und die Suche nach ihm nicht mehr auf sich nehmen. Alles und nichts. Wer oder was ist dieser Gott für mich? Gott Du bist beides – alles und nichts, nicht ein Teil, auch nicht das Ganze. Alle Namen werden Dir gegeben, und doch kann keiner Dich fassen. Wie soll ich Dich also nennen, Du, der Du über allen Namen bist? Gregor von Nyssa (*335/340 +394)
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=