Der franziskanische Wegbegleiter | Frühjahr 2025 DU Zeichnen Sie mir Gott! Dieser Au¨orderung ist kaum nachzukommen. Welches Bild, welche Form, welche Farbe sollte ich wählen, um Gott zu malen, ihm Kontur zu geben, welche Pinseltechnik nutzen? Eine unmögliche Aufgabe. Und gleichzeitig faszinierend darüber nachzudenken, welches Bild bei mir entstehen könnte, würde ich IHN oder SIE malen sollen. Ich spüre beides: das Wagnis, ein solches Unterfangen in die Tat umzusetzen. Warum eigentlich nicht? Und die Hemmung, ja Zurückhaltung, denn das Bilderverbot »Du sollst dir kein Bild machen« (vgl. Ex 20) hat sich auch in mein Gottesbild eingeschrieben. Nur: Geht das überhaupt für uns Menschen, auf Bilder zu verzichten? Bruno Stephan Scherer* hat diese Begebenheit beschrieben: Zeichnen Sie mir Gott verlangte der Psychotherapeut Sie rief: Wie kann ich zeichnen was ich nicht gesehen nicht gefasst, nicht begri¨en habe Er schwieg Sein Gesicht blieb hart Unwirsch zog sie einen Kreis über Blatt und Tisch: Sonne Erde Gestirn oder welche Kugel Nun geben Sie ihm einen Namen bezeichnen Sie Gott ER ist zu groß zu herrlich, murmelte sie zu vollkommen-schön Ich finde keine Worte Denken Sie nach: Wie lassen sich Vater und Mutter Bruder und Schwester Freund und Geliebter mit einem Namen benennen Sie verbarg ihr Gesicht mit den Händen und flüsterte: DU Ich vermute, nein, ich weiß, dass wir Menschen Bilder brauchen. Bilder gehen über die Sprache hinaus, sie ver-SINN-bildlichen etwas oder jemanden. Ein Bild berührt mich in der Tiefe der Seele, wie auch ein Musikstück. Gleichzeitig wiegt das Gebot, auf ein Bild von Gott zu verzichten, schwer. Aber es weckt auch die Lust, sich abzuarbeiten an diesem Verbot. Doch es bleibt die Gefahr, auf EIN Bild festgenagelt zu werden. Auch dazu neigen wir Menschen. Und so wird zu unserem eigenen Vorteil ausgesprochen, auf ein Bild zu verzichten. Das geht uns untereinander ebenso! Wenn sich aber dieses Bild auf ein DU bezieht? Ist es dann immer noch gefährlich, uns ein Bild von Gott zu machen? Im Text klingt an: Wie kann ich zeichnen, was ich nicht gesehen habe? Wie kann ich bezeichnen, wen ich nicht mit Namen kenne? Doch es bleibt die Zurückhaltung, auch das DU zu malen. Die Einladung besteht darüber nachzudenken, ob Gott für mich dieses DU ist, dieses konkrete Gegenüber, an dem ich ICH werden kann. * Bruno Stephan Scherer aus: Großer Gott klein, S. 38, Patmos 1993 (mit freundlicher Druckerlaubnis der Abtei Mariastein in der Schweiz, bei der das Copyright liegt)
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