Franziskaner - Frühling 2025

27 FRANZISKANER 1|2025 © STOCK.ADOBE.COM ¯QUNICA.COM Mutige Propheten der Vielfalt Cornelius Bohl OFM Papst Franziskus nimmt regelmäßig weltweite oder kirchliche Gedenktage zum Anlass, um auf ihre Bedeutung hinzuweisen, Hinweise zum praktischen Handeln im Alltag zu geben oder auch, um politisch Verantwortliche auf ihre spezi½schen Aufgaben zum Wohl aller aufmerksam zu machen. Cornelius Bohl beleuchtet in jeder Ausgabe in diesem Jahr eine andere Botschaft von Papst Franziskus mit Anregungen für die persönliche Lebensgestaltung. Donald Trump war gerade einmal drei Tage im Amt, da hat er die Beauftragten für die staatlichen Diversitätsprogramme in Zwangsurlaub geschickt und angekündigt, diese Stellen ganz zu streichen. Chancengleichheit für Menschen verschiedener Herkunft, verschiedenen Geschlechts oder mit Handicap, das ist nicht mehr gewollt. Und tatsächlich untergraben Vielfalt und Verschiedenheit monolithische Machtstrukturen. Autoritäre und totalitäre Systeme haben sich schon immer durch gleichgeschaltete Massen absichern wollen. Da lohnt sich vielleicht ein Blick in die Landwirtschaft: Monokulturen können kurzfristig durchaus von Nutzen sein, auf Dauer aber führen sie zu irreversiblen Schäden und zerstören die Fruchtbarkeit der Böden. Sich auf wenige Pflanzen zu beschränken und riesige einheitliche Flächen mit großen Maschinen zu bearbeiten, das spart Zeit und steigert mit dem Ertrag auch den Gewinn. Zunächst. Denn auf Dauer wird der Boden ausgelaugt. Unkräuter, Schädlinge und Krankheitserreger treten verstärkt auf, die großen Felder sind an²älliger bei Unwetter oder Dürre. Die ökologischen Schäden wirken sich dann auch ökonomisch aus, denn trotz des Einsatzes von Pestiziden und Düngemitteln schrumpfen die Erträge langfristig immer mehr. Umgekehrt heißt das: Ein Ökosystem ist dann stabil und produktiv, wenn es möglichst vielen Arten Raum bietet. Biodiversität schafft Resilienz! In diesem Sinn gehören für die UNESCO der »Respekt vor der Vielfalt der Kulturen, Toleranz, Dialog und Zusammenarbeit in einem Klima gegenseitigen Vertrauens und Verstehens zu den besten Garanten für internationalen Frieden und Sicherheit« (Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt 2001). »Uniformität ist tödlich!« Daran hat Papst Franziskus im Frühjahr 2024 die Brüder der von Louis-Marie Grignion de Montfort gegründeten Ordensgemeinschaft der Montfortaner erinnert. Vielfalt sei keine Bedrohung, sondern »ein kostbares Geschenk, das man teilen muss«. Natürlich, es gehe um eine »Vielfalt in Harmonie«, keine Vielfalt, die spaltet. Eine Vielfalt in Harmonie lasse wachsen. »Seid mit eurem Leben Propheten der Vielfalt«, so der Papst. Zentralismus und Uniformität haben seit dem 19. Jahrhundert auch die katholische Kirche zunehmend geprägt und verändert. Leider! Denn am Anfang und dann noch lange Zeit waren gerade Vielfalt und Verschiedenheit Kennzeichen des »Katholischen«: So rühmt Paulus die bunte Vielfalt der Geistesgaben und beschreibt die Kirche als Leib Christi mit ganz unterschiedlichen Gliedern (1 Kor 12). Zur Gemeinde gehören Juden und Heiden, Sklaven und Freie, Männer und Frauen (Gal 3,28). Die wachsende Kirche lässt sich in ihrem theologischen Denken und ihrer Liturgie von Elementen fremder Kulturen inspirieren. Welche bunte Vielfalt von Riten, Spiritualitäten, theologischen Ansätzen, Orden und Gemeinschaften tummeln sich unter dem einen katholischen Dach! Natürlich ging das nicht immer spannungsfrei vor sich, aber letztlich ließ es wachsen und führte zu einem großen Reichtum. »Uniformität in einem Ordensinstitut, in einer Diözese, in einer Laiengruppe ist tödlich!«, sagt Papst Franziskus. Machen wir uns nichts vor: Vielfalt ist anstrengend. Sie kann Angst machen. Sie ist schlecht zu kontrollieren. Aber sie lässt wachsen! Christen als mutige Propheten der Vielfalt, engagierte spirituelle Diversity Manager – welch einen Zukunftsschub würde das bringen für unsere Gemeinden und Gemeinschaften, für Kirche und Gesellschaft in unserem Land! Und das gilt dann hoffentlich auch für die Kirche als Ganze!

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