29 FRANZISKANER 1|2025 bieten psychosoziale Beratung, begleiten bei Arzt- oder Behördenterminen, vermitteln in Deutschkurse oder helfen bei der Suche nach einem Job. Die Beratung ist für die Klientinnen immer kostenlos, erfolgt ergebnisoffen und ist auf Wunsch auch anonym. An den meisten Standorten bietet SOLWODI auch die Möglichkeit des geschützten Wohnens. Viele Frauen sind aufgrund der erlebten Gewalt psychisch belastet, leiden unter Traumata und Panikattacken. Gleichzeitig leben sie in ständiger Gefahr, von Tätern oder – im Fall von Zwangsverheiratung und Ehrgewalt – der eigenen Familie aufgespürt zu werden. Bei SOLWODI können die Frauen und ihre Kinder zur Ruhe kommen, sich stabilisieren und gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen überlegen, wie es weitergehen soll. Immer geht es darum, dass die betroffene Frau neue Perspektiven für ein eigenständiges, gewaltfreies Leben entwickeln kann. Eine lange und dunkle Geschichte der Ausbeutung In den Anfangsjahren war SOLWODI sehr häufig mit dem Phänomen »Katalogbräute« konfrontiert. Die Frauen wurden nach Deutschland gelockt, um hier einen ihnen völlig unbekannten Mann zu heiraten, dem sie den Haushalt führen und sexuell zu Diensten sein mussten. Diese spezielle Form der Ausbeutung begegnet SOLWODI nur noch selten, aber das Versprechen auf ein besseres Leben im reichen Europa hat nichts an Attraktivität verloren. Die angeblich gut bezahlten Jobs als Kellnerin oder Hausmädchen entpuppen sich jedoch schnell als Illusion. Oft werden die Frauen zudem mit hohen »Reiseschulden« konfrontiert, die sie nun abzuarbeiten hätten. Außerdem stehen sie unter dem emotionalen Druck, Geld zu verdienen, um die Familie im Herkunftsland zu unterstützen. Da erscheint die Prostitution oft als einziger Ausweg. Viele der jungen Frauen stammen aus prekären Lebensverhältnissen. Sie kommen etwa aus Rumänien, Bulgarien oder Nigeria. Meist sind sie in Armut aufgewachsen, haben keine oder nur wenig Schulbildung. Häufig war schon ihre Kindheit von Gewalt und schwierigen Lebenssituationen geprägt. Den Versprechungen der »guten Freunde« sind sie zumeist hilflos ausgeliefert. Nicht wenige der Frauen gehören Minderheiten an, z.¶B. der Volksgruppe der Rom*nja. Sie haben bereits im Herkunftsland Diskriminierung und Ausgrenzung erlebt und daher ein tiefes Misstrauen gegenüber Polizei und Behörden, was es ihnen erschwert, Unterstützung zu suchen. Kaum eine der Frauen besitzt eine Krankenversicherung. Dabei leiden gerade in der Prostitution tätige Menschen unter viel²ältigen gesundheitlichen Beschwerden. Schlafmangel und schlechte Ernährung erschweren Krankheitsverläufe. Die Erfahrung von Gewalt, sexueller Ausbeutung und allgemein prekärer Lebensverhältnisse führt oft zu psychischen Beeinträchtigungen, Depressionen, Traumata und Suizidgedanken. Der Alkohol-, Medikamenten- und Drogenmissbrauch ist unter Prostituierten besonders hoch, weil sie nur so den für sie belastenden Erlebnissen entfliehen können. Nicht selten wird das Suchtverhalten von Zuhältern gefördert, weil die Frauen so noch tiefer in die Abhängigkeit geraten. Fast alle haben schon einmal Gewalt im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung erlebt, sei es durch Freier oder Zuhälter. Leider sind immer wieder Femizide im Prostitutionsmilieu zu verzeichnen. Exemplarisch ist der Fall der im November 2023 in Koblenz von ihren Zuhältern ermordeten Prostituierten, die der türkischsprachigen Minderheit in Bulgarien angehörte. Ein langer Weg bis zum Ausstieg SOLWODI führt an vielen Standorten aufsuchende Arbeit im Prostitutionsmilieu durch. Hierbei wird ein niedrigschwelliger Kontakt mit den Frauen etabliert. Oft kommen die Frauen zunächst mit kleineren Fragen und Anliegen, bis ausreichend Vertrauen aufgebaut ist, um auch tiefergehende Probleme zu besprechen. Möchte eine Frau aus der Prostitution aussteigen, wird sie dabei begleitet. Ein solcher Ausstieg ist in der Regel ein langwieriger Prozess, da sich die Frauen erst wieder an das Leben außerhalb des Milieus gewöhnen und Selbstvertrauen au¾auen müssen. Eine Wohnung muss gefunden und gesundheitliche Beschwerden sowie Suchtverhalten müssen therapiert werden. Erst dann kann nach Qualifizierungsmaßnahmen geschaut © MARIA DECKER Dr. Maria Decker ist seit 2020 Vorsitzende von SOLWODI. Sie lebt in Boppard und ist Geweihte Jungfrau im Bistum Trier. Neben ihrer Tätigkeit bei SOLWODI studiert sie katholische Theologie und engagiert sich ehrenamtlich im kirchlichen Bereich und der Entwicklungszusammenarbeit.
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