30 FRANZISKANER 1|2025 Die Geschichte von Amara Amara stammt aus Westafrika und hat dort bereits psychische und physische Gewalt erfahren. Nach einer Vergewaltigung durch einen Nachbarn wurde sie schwanger. Da sie sich weigerte, den um ein Vielfaches älteren Mann zu heiraten, wurde sie von ihrer Familie verstoßen. Um zu überleben, sah sie keine andere Möglichkeit, als sich zu prostituieren. Ein vorgeblicher Freund organisierte die Reise nach Deutschland, wo sie als Hausmädchen in einem Hotel arbeiten sollte. Dieses entpuppte sich jedoch nach ihrer Ankunft als Bordell, in dem sie zur Prostitution gezwungen wurde, um ihre »Reiseschulden« abzubezahlen. Als Amara endlich zu SOLWODI findet, ist sie psychisch stark belastet und alkoholkrank. Die Sozialarbeiterinnen leisten psychosoziale Betreuung, vermitteln die junge Frau in eine Therapie, organisieren Sprachkurse, begleiten sie zu Gerichtsterminen und unterstützen sie im Asylverfahren. Gemeinsam arbeiten sie mit Amara an einer Zukunftsperspektive, und so erhält sie einen Praktikumsplatz in einem Pflegeheim. Als die Zusage für den Aufenthaltstitel kommt, kann Amara eine reguläre Ausbildung beginnen. Bestärkt durch diese positiven Erfahrungen findet sie aus eigenem Antrieb eine kleine Wohnung für sich und ihre Tochter. Endlich ist sie finanziell unabhängig, fühlt sich sicher und angekommen. Sie benötigt immer noch Unterstützung, aber durch den geregelten Tagesablauf und die nun erlebte Selbstwirksamkeit ist sie psychisch sehr viel stabiler und auf einem guten Weg in ein eigenständiges Leben. SOLWODI ist für die Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern auf Spenden angewiesen. IBAN: DE84 5905 0000 0020 0099 99 Herzlichen Dank werden, die es den Frauen ermöglichen, einer alternativen Tätigkeit nachzugehen. Viele benötigen daher mehrere Anläufe, bis sie einen Ausstieg schaffen. Das »Nordische Modell« ist vielversprechend Die Arbeit von SOLWODI im Prostitutionsbereich ist unverzichtbar, um der einzelnen Frau den Ausstieg aus Gewalt und Ausbeutung und ein Leben in Würde zu ermöglichen. Sie löst aber nicht das zugrunde liegende systemische Problem. SOLWODI fordert daher ein Umdenken in der deutschen Prostitutionspolitik. Dabei sollten insbesondere die Männer, also die Nachfrageseite, in den Blick genommen werden. Ein guter Ansatz ist das sogenannte Nordische Modell, das bereits seit 25 Jahren erfolgreich in Schweden und mittlerweile auch in weiteren Ländern praktiziert wird. Es sieht eine Bestrafung der Profiteure von Prostitution – Zuhälter, Bordellbesitzer und Freier – vor, während die Menschen in der Prostitution entkriminalisiert werden. Dazu kommen flächendeckende Ausstiegsprogramme und gesellschaftliche Bewusstseinsbildung. Die Erfahrungen aus Schweden zeigen, dass Prostitution damit zwar nicht komplett verschwindet, aber deutlich reduziert wird. Erheblich zurückgegangen sind die organisierte Kriminalität im Prostitutionsmilieu und die Gewalt gegenüber den Prostituierten. Daher erscheint das Nordische Modell ein vielversprechender Weg zu sein, der auch für Deutschland geprüft werden sollte. Neuer Schwerpunkt: patriarchale Gewalt Die patriarchale Gewalt ist ein Feld, das bei SOLWODI zunehmend an Bedeutung gewinnt. 2023 verzeichnete SOLWODI rund 250 Fälle von erfolgter oder drohender Zwangsverheiratung. 117 Frauen wandten sich an die Organisation wegen einer Ehrenmordbedrohung. Dazu kommen mehrere Hundert Fälle von Gewalt innerhalb der Partnerschaft. Aber nicht nur die Gewalt macht die Situation für die betroffenen Frauen und Mädchen unerträglich. Sie befinden sich auch in einem schwerwiegenden Konflikt zwischen Loyalität zur Familie und tradierten Wertvorstellungen auf der einen und der Sehnsucht nach einem freien, eigenverantwortlichen Leben, wie sie es von ihren deutschen Freundinnen kennen, auf der anderen Seite. Hier ist von den SOLWODI-Beraterinnen ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl und kultureller Sensibilität gefordert, um gemeinsam mit den Frauen zu guten Lösungen zu gelangen. Der 8. März ist der Weltfrauentag, an dem die Rechte von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter im Mittelpunkt stehen. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass alle Frauen ihr Recht auf ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben wahrnehmen können! SOLWODI BERATUNGSSITUATION © HEIKE FISCHER FÜR SOLWODI
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