Franziskaner - Frühling 2025

32 FRANZISKANER 1|2025 Baue mein Haus wiede Wenn uns die Institution Kirche nicht ohnehin schon egal ist, werden wir vor die Frage gestellt, wie die Kirche in Zukunft aussehen kann. Um dieses Nachsinnen über die Zukunft der Kirche zu bereichern, soll in der Reihe »Franziskanische Geschichte« der Entfaltung des franziskanischen Kirchenverständnisses nachgegangen werden. Die historische, durchaus ambivalente Ausprägung einer franziskanischen Kirchenvision wurde durch die Kirchlichkeit des Franziskus von Assisi angestoßen. Die Aufforderung, die Kirche wieder aufzubauen, die vom Kreuzbild in San Damiano an ihn erging, bezog er – wie es die späteren biographischen Quellen darstellen – zunächst auf verfallende Kapellen, nach und nach aber auch auf die Kirche als Glaubensgemeinschaft. Dem Auftrag folgend – so die Interpretation der Biographen – stellte er sich und seine Gemeinschaft in den Dienst der römischen Kirche, in der er den Höhepunkt einer schleichenden Mutation von der patristischen zur Kirche des Mittelalters erlebte. Vor dem Hintergrund dieses Wandels des Kirchenverständnisses kann die Kirchenvision der frühen Gemeinschaft der Minderbrüder und das Kirchenbild, das sich in der Tradition des Minderbrüderordens entwickelte, verstanden werden. Während in den ersten Jahrhunderten die Kirche verstanden wurde als Gemeinschaft aller Glaubenden, wird durch die Überbetonung eines durch Sakramente verliehenen »Charakters« der verschiedenen Gläubigen eine Trennung der »Laien« vom Klerus und unter den »Geistlichen« eine Hierarchisierung forciert. Wir stehen damit am Beginn einer Klerikalisierung der Kirche. Während das sakramentale Leben bislang als die Feier der Einheit des Leibes, der Gemeinschaft der Gläubigen verstanden wurde, wird nun vor allem die Feier der Eucharistie personalisiert und individualisiert. Nicht mehr die versammelte Gemeinde feiert diese, sondern der einzelne Priester zelebriert die Eucharistie, und eventuelle Teilnehmende erhalten eine Gnade. Zudem wird die Anzahl der gefeierten Messen multipliziert. Da die Konsekration der Gaben ausschließlich eine Fähigkeit der Priester ist, ist die Anwesenheit von Gläubigen nicht unbedingt erforderlich. Lange Zeit wurde Pfingsten als Geburtstag der Kirche angesehen. Die Einheit der Gemeinschaft der Gläubigen mit dem Haupt der Kirche, Jesus Christus, wird in der Kraft des Geistes verwirklicht. Die Kirche wird daher als vom Geist bewirkt interpretiert. Nun wird die Kirche des Westens auf eine exklusive christologische Interpretation reduziert, und der Geburtstag der Kirche wird in der Öffnung der Seite Jesu Christi am Kreuz gesehen. Diese theologische Verschiebung der kirchlichen Geburtsstunde untermauerte die hierarchische Institutionalisierung. Innerhalb eines vom Geist bewirkten Selbstverständnisses wurden vorher die historischen Strukturen der Kirche als provisorisch angesehen, die eschatologisch durch Gottes Reich überwunden werden. Da die eschatologische Perspektive nun an Bedeutung verlor, nimmt die Kirche in ihren historischen Strukturen, die von Christus gewollt sind, ein zukünftiges Gottesreich vorweg. Dieser Kirche, deren Mutation in der Kirche von Rom des Papstes Innozenz ihren Kristallisationspunkt hatte, unterstellte sich die Gruppe der Minderbrüder. Wie sehr sich Franziskus dieser Mutation bewusst war, lässt sich heute schwer nachvollziehen. Aber wie er und seine Brüder und auch erste Schwestern ihren Glauben in der damaligen Kirche gelebt haben, lässt sich verifizieren. Der Glaube des Franziskus ist zutiefst biblisch, christologisch und vom Geist durchtränkt geprägt. Johannes-Baptist Freyer OFM Giotto, der Maler dieses Freskos in San Francesco/Assisi, folgte mit seinen Darstellungen der Biograºe Bonaventuras. In den Schriften des Franziskus selbst ºndet sich kein Hinweis auf den Auftrag »Geh und baue mein Haus wieder auf …«. Gleichwohl prägte das Narrativ das Kirchenbild und das Selbstverständnis des Ordens.

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