Franziskaner - Frühling 2025

36 FRANZISKANER 1|2025 Menschen des Friedens Seit knapp 30 Jahren widmen die Eheleute Ana und Otto Raffai ihr Leben der Arbeit für Frieden und Versöhnung in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens – insbesondere in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien. Beide haben katholische Theologie studiert und nach dem Abschluss des Studiums Ausbildungen als Friedensfachkräfte sowie Trainerin und Trainer in gewaltfreier Konfliktbearbeitung in Deutschland absolviert. In zahlreichen Seminaren und Friedenskonferenzen qualifizieren sie Menschen verschiedener ethnischer und religiöser Herkunft in gewaltfreier Konfliktbearbeitung, damit diese sich in ihrem jeweiligen Umfeld für Frieden und Versöhnung einsetzen können. Ana und Otto Raffai leben in einem Vorort von Zagreb (Kroatien). In diesem Interview erzählen sie von ihrer langjährigen Arbeit und davon, was ihnen Hoffnung macht. Ana und Otto Raffai gründeten die kleine Friedensorganisation RAND (»Regionale Adresse für gewaltfreies Handeln in Kroatien«) im Jahr 2003. Schwerpunkte der Arbeit sind Trainings, in denen die Teilnehmenden durch Vermittlung von Wissen und durch Selbsterfahrung lernen, »wie man Frieden gestaltet«. RAND bietet den Raum, in dem sich Menschen begegnen und in einer strukturierten Weise Erfahrungen aufarbeiten können. In den Seminaren lernen sie praktisches Können, gestützt von theoretischem Wissen. Ein zweiter Schwerpunkt von RAND ist die interreligiöse Arbeit. Gemeinsam mit Gläubigen aus islamischen und christlichen (katholischen, orthodoxen, protestantischen) Glaubensgemeinschaften baute RAND das »Netz der Gläubigen für den Frieden« auf. Das Netz organisiert interreligiöse Friedenskonferenzen unter dem Titel »Indem wir den Frieden bauen, loben wir Gott« und lädt dazu Menschen aus der Balkan-Region und aus Westeuropa ein. Darüber hinaus veranstaltet RAND interreligiöse Begegnungen, in denen die Vermittlung von gewaltfreier Kommunikation mit dem interreligiösen Dialog verknüpft wird. Die Arbeit von RAND ist abhängig von Spenden: Gläubige für den Frieden e.V., Stichwort: RAND IBAN. DE21 6945 0065 0151 0430 90 BIC: SOLADES1VSS Seit fast drei Jahrzehnten engagieren Sie sich privat und beruflich für Frieden und Versöhnung auf dem Westbalkan, aber auch international. Was gibt Ihnen den langen Atem für diesen nicht immer einfachen Weg? Ana Raffai: Es ist meine tiefe Überzeugung, dass es sich immer lohnt, sich für Frieden und Versöhnung einzusetzen. Ich kann das mit meinem Glauben vergleichen: Auch wenn es in der Kirche vieles gibt, was ich sehr kritisch sehe, habe ich nie die Überzeugung verloren, dass das Evangelium eine für mich und die Welt wichtige Botschaft ist. So ist es auch mit der Friedensarbeit. Und ich schöpfe Kraft daraus, dass ich mich damit nie allein gefühlt habe. Immer wieder kommen Menschen zu uns. Dazu kommt ein großes Gefühl von Verantwortung. Wir haben Verantwortung für den Frieden, auch wenn wir manchmal nur einzelne Stimmen sind. Otto Raffai: Ich wollte früher Priester werden, und auch heute sehe ich meine Arbeit als meine Berufung. Ich denke, dass Gott mich gerettet hat vor einer eher formalen kirchlichen Frömmigkeit. Stattdessen arbeite ich aktiv mit Menschen, die sich auf verschiedene Weise nach Gott sehnen, und mit Menschen, die sich für andere einsetzen, ohne religiös zu sein. Ich habe das Privileg, mit solchen Menschen arbeiten zu können. Viele dieser Menschen haben in ihrem Leben viel Leid erfahren. Ich bin davon verschont geblieben. Deshalb sehe ich es als meine Aufgabe an, mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben. Was waren für Sie die entscheidenden Auslöser, Friedens- und Versöhnungsarbeit zum Beruf zu machen, trotz einer sehr unsicheren wirtschaftlichen Absicherung? Otto Raffai: Für mich war der Krieg in Kroatien Anfang der 1990er Jahre der Auslöser. Als ich damals den Wehrdienst verweigerte, war das auch eine Entscheidung für Friedens-

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