Franziskaner - Frühling 2025

8 FRANZISKANER 1|2025 Altissimu onnipotente bon Signore tue so’ le laude la gloria e l’honore et onne benedictione. Ad te solo, Altissimu, »Mit all deinen Ein prophetisches Lied auf das Leben Der sorgsame Umgang mit unserer Mitwelt steht in Europa weit oben auf dem Sorgenbarometer vieler Menschen. Klimakatastrophen, die sich in Nord und Süd dramatisch mehren, sind Zeichen für die ökologische Schieflage der Welt. Die ganze Menschheit ruft Papst Franziskus auf, »singend und kämpfend« für die Zukunft unseres Planeten einzustehen. Seine Enzyklika »Laudato si'« greift dazu auf das Schöpfungslied zurück, das Franz von Assisi vor genau 800 Jahren dichtete. Wie kann eine Komposition des Mittelalters in die Nöte der Gegenwart sprechen? Und was macht das poetische Werk zeitlos ermutigend? er sich im Lied verband. Nicht einmal das Licht von Bruder Feuer« ertrug er in jenem Frühling 1225! Das Loblied, das den Schöpfer für und durch alle Geschöpfe preist, ist ein Alterswerk des Mystikers. Nach seinem Bruch mit Assisi verbrachte Franz zwei Jahrzehnte wandernd und immer wieder zurückgezogen in kargen Eremitagen, die aus Höhlen an Berghängen bestanden. Diese Orte der ersten Brüder verbinden bis heute tiefe Stille mit der Schönheit unberührter Wälder und weite Ausblicke in die Welt mit mystischer Tiefe. Das Leben mitten in der Natur führte zu einer tiefen Vertrautheit mit der Schöpfung, mit den Rhythmen von Sonne und Mond, mit Wind und Wetter, mit erfrischenden Quellen und wärmendem Feuer sowie der nährenden Kreativität der Erde. Von der Bergpredigt ermutigt, lernte Franz von den »Vögeln des Himmels« und den »Lilien auf dem Feld«. Der erste Biograf schreibt zum sorgsamen Umgang des Bruders mit allen Lebewesen (FQ 247–248): Franziskus ließ »den Bienen im Winter Honig oder besten Wein hinstellen, damit sie nicht vor Kälte und Frost zugrunde gingen. Ihre emsige Arbeit und ihren vorzüglichen Instinkt pries er zur Ehre des Herrn hoch (…) so ließ auch dieser Mann, vom Gottesgeist erfüllt, nicht ab, in allen Elementen und Geschöpfen den Schöpfer und Lenker aller Dinge zu verherrlichen, zu loben und zu preisen (…) Wie erheiterte doch seinen Geist die Blumenpracht, wenn er ihre reizende Gestalt sah und ihren lieblichen Duft einsog! (…) So erinnerte er auch Saatfelder und Weinberge, Steine und Wälder und die ganze liebliche Flur, die rieselnden Quellen und alles Es gibt kaum ein Lied aus dem Mittelalter, das heute weltweit gesungen, vertont, getanzt, in Bildern und Glasfenstern dargestellt oder in Gärten erlebbar gemacht wird. Der Sonnengesang heißt im ältesten Manuskript laudes creaturarum – Lobgesang der Geschöpfe. Jugendliche, die das »Laudato si'« beschwingt am Lagerfeuer singen, wären überrascht zu hören, dass der alternde Franz dieses Lied schwer krank und halbblind komponierte. Mit entzündeten Augen wochenlang in einer dunklen Hütte gepflegt, konnte er kein Geschöpf sehen, mit dem Mosaik im Innenhof der Liebfrauenkirche der Kapuziner in Frankfurt a.M. von Ludgera Haberstroh (Kloster Reute bei Bad Waldsee) aus dem Jahr 1979 MOSAIK: © MEINHARDT ¯ LUKAS NEU | SÄMTLICHE ICONS AUF DER DOPPELSEITE: STOCK.ADOBE.COM

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