Franziskaner - Sommer 2025

16 FRANZISKANER 2|2025 egal woher eine Person kommt. Es sind Menschen aus unterschiedlichen Glaubenstraditionen, verschiedenen Religionen, teilweise auch mit einer atheistischen Haltung. Wir haben hier Alt und Jung, Arm und Reich, Progressive, Konservative – wirklich alles, was man sich vorstellen kann. Das gilt für unsere Gäste wie für die Ehrenamtlichen. Und es stärkt das gegenseitige Verständnis, man lernt sich kennen und kann so Barrieren abbauen.« Ähnliches berichten auch Menschen aus der katholischen Gesamtkirchengemeinde in Filderstadt südlich von Stuttgart. Aus ihrer eigenen Geschichte haben die Gemeindemitglieder viel Erfahrung gewonnen in der Überwindung von Gräben sowie eine große Tradition der Offenheit für Menschen jeglicher Lebenswege. In ihrer heutigen Form besteht die Gesamtkirchengemeinde erst seit 2021, als sich die drei Gemeinden Liebfrauen, St. Stephanus und Kraljica Mira zusammenschlossen. Die Gemeinden Liebfrauen und St. Stephanus gehen jeweils auf die Nachkriegsjahre zurück, als sie im stark evangelisch geprägten Filderstadt für geflüchtete Familien aus Böhmen, Schlesien und Donauschwaben gegründet wurden. Die Gemeinde Kraljica Mira wiederum wurde für kroatische Gastarbeiterfamilien gegründet. Die drei Gemeinden sind mit Mitgliedern aus über 50 Nationen heute sehr multikulturell geprägt, was sich im Gemeindeleben widerspiegelt. Die Liebfrauengemeinde setzt ihren Schwerpunkt auf Familien, Kinder und Jugendliche sowie die interreligiöse Begegnung. Zudem hat sich die Gemeinde sehr stark engagiert, als 2015 Geflüchtete nach Filderstadt gekommen sind. Gemeindereferentin Susanne Walter erinnert sich: »Ganz entscheidend war, dass wir zunächst in einer Unterkunft einen Teenachmittag organisiert und Hygieneartikel für die Neuankömmlinge verteilt hatten. Dabei entstanden erste Kontakte zwischen unseren Gemeindemitgliedern und den Geflüchteten. In der Folge wurden dann auch Bewohnerinnen und Bewohner aus der Unterkunft von Familien aus der Gemeinde an Weihnachten zu sich nach Hause eingeladen. So sind Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen.« Hildegard Neubauer, Kirchengemeinderätin der Liebfrauengemeinde, berichtet von einem ganz besonderen Nachmittag: »Einmal hatten wir eine Gruppe von Menschen aus Eritrea, Syrien, Irak und Iran eingeladen, zu²ällig am Nikolaustag. Weil die sprachliche Verständigung noch schwierig war, haben wir aus dem Kindergarten Bücher über den Nikolaus geholt und gemeinsam angesehen. Die Syrer:innen waren hellauf begeistert und haben gesagt: ›Der ist ja aus unserer Gegend.‹ Und die Menschen aus Eritrea haben Nikolaus auch gleich als einen ihrer Heiligen erkannt. Erstaunt hat uns, dass die Eritreer:innen nichts Süßes essen wollten. Sie haben gesagt: ›Wir müssen jetzt bis Weihnachten fasten.‹«(Die Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche beachtet die in Ostkirchen verbreitete Philippus- oder Weihnachtsfastenzeit, d. Red.) Inzwischen sind diese Treffen seltener geworden, sagt Frau Neubauer weiter, da die meisten der Teilnehmenden berufstätig wurden und nur noch wenig Zeit haben. Aber auch neben der Arbeit mit Geflüchteten gibt es in der Liebfrauengemeinde viele Angebote, die Menschen zusammenbringen, so auch einen Brettspielabend. Beliebt ist zudem der wöchentliche Mittagstisch auf Spendenbasis. Das Besondere dabei: Hier wird nicht nur zusammen gegessen, sondern zuvor gemeinsam aus frischen, regionalen Produkten gekocht. Das achtköpfige Kochteam setzt sich dabei aus Ehrenamtlichen zusammen, die nur teilweise aus der Kirchengemeinde stammen. Begleitet werden sie von Cornelia Matz, der Referentin für Engagementförderung. »Beim Essen«, sagt sie, »haben wir die unterschiedlichsten Gäste: Da gibt es welche mit schmalem Geldbeutel und solche mit großem Geldbeutel, die aber soziO¯enheit hat hier Tradition Kleiderkammer mit Boutique-Konzept im Kirchenraum in der Gemeinde St. Bonifatius alen Kontakt suchen. Da gibt es Alleinstehende, frisch Verwitwete oder Kranke, die im Moment nicht selbst kochen können. Wir sehen Leute aus drei oder vier Stadtteilen, konfessions- und auch religionsübergreifend. Die Menschen genießen dieses Zusammensein, sie kennen sich und nehmen Anteil aneinander. Wenn jemand mal nicht kommt, dann wird nachgefragt, was da los ist, ob er oder sie vielleicht krank ist. So ist es auch ein bisschen eine Therapiestunde für die Teilnehmenden.« KLEIDERKAMMER © KLEIN UND ROSE GMBH

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