Franziskaner - Sommer 2025

28 FRANZISKANER 2|2025 nennt das der Papst. Seine für Anfang Dezember 2023 geplante Teilnehme am Klimagipfel der Vereinten Nationen in Dubai musste er aus Krankheitsgründen leider kurzfristig absagen. Bis in den Titel franziskanisch inspiriert ist auch seine zweite große Enzyklika »Fratelli tutti« (»Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft«), die er 2020 symbolträchtig in Assisi am Grab seines Namenspatrons unterschreibt. Schon im Jahr zuvor, genau 800 Jahre nach der Begegnung von Franz von Assisi mit dem Sultan Al-Malik al-Kamil, hatten der Papst und Ahmad al-Tayyib, das Oberhaupt der Azhar, einer bedeutenden wissenschaftlichen Institution des sunnitischen Islam, in Abu Dhabi einen gemeinsamen Text über die Geschwisterlichkeit aller Menschen unterzeichnet. »Ich stehe vor der Tür und klopfe an!« (Offenbarung des Johannes 3,20). Christus die »Tür des Herzens« öffnen, damit er zu uns hereinkommt, dieses Bild ist geläufig. Papst Franziskus dreht es um: Jesus klopft nicht von außen, sondern von innen an die Tür der Kirche, damit wir ihn hinauslassen in die Welt. Nichts fürchtete der Papst mehr als eine nur mit sich selbst beschäftigte Kirche, der es allein um den Erhalt des eigenen Systems geht und die vergessen hat, wofür sie eigentlich da ist. Diese Bilder des Papstes haben sich eingeprägt und werden bleiben: Die Kirche als Feldlazarett. Eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgeht. Das Plädoyer für eine Kirche, die auch einmal Fehler macht, statt einer Kirche, die nichts tut oder krank wird, weil sie sich nur um sich selbst dreht. Rausgegangen ist der Papst oft – auf seinen fast 50 Auslandsreisen selten nach Europa, lieber an die Ränder. Besonders gerne dorthin, wo die Katholiken nur eine Minderheit bilden oder wo noch nie ein Papst war, nach Myanmar etwa, Korsika oder in die Mongolei. Rausgegangen aus dem Binnenraum der Kirche ist er auch dort, wo er wiederholt Vertreter der sozialen Bewegungen aus allen Kontinenten zum Gespräch einlud. »Manchmal denke ich, dass ihr tut, was Jesus tat«, hat er ihnen beim Welttreffen 2016 zugerufen, engagierten Frauen und Männern unterschiedlichster Religionen und Weltanschauungen, Agnostikern und aus dem konservativen Lager kritisch beäugten »Linken«. Die gleiche Weite und Offenheit atmet auch das Projekt »Economy of Francesco«, ein informeller internationaler Austausch junger Finanz- und Wirtschaftsexperten und junger Unternehmer. Der Papst hatte sie erstmals im März 2020 nach Assisi eingeladen, um über ein »neues Verständnis von Wirtschaft im Geist von Franz von Assisi« nachzudenken. »Franziskus, bau mein Haus wieder auf, das ganz zer²ällt!« Seitdem Franz von Assisi vor dem Kreuz von San Damiano diesen Ruf Christi gehört hat, ist der Einsatz für die Erneuerung der Kirche ein wesentlicher Baustein der franziskanischen DNA. Wird der Franziskus aus Rom als Reformpapst in die Geschichte eingehen? Das Anliegen selbst hat ihn zweifelsohne mächtig umgetrieben. Er hat sich, zunächst zögerlich, dann immer entschiedener, dem Skandal des sexuellen Missbrauchs in der Kirche gestellt und schärfere Regelungen in Kraft gesetzt, um Täter zu bestrafen, Vertuschung zu verhindern und präventiv Missbrauch nach Möglichkeit unmöglich zu machen. Gerade bei diesem Thema hat er offen zugegeben, in der Vergangenheit Vorgänge falsch eingeschätzt zu haben und noch ein Lernender zu sein. Er hat einen Kardinalsrat als Beratungsgremium berufen, ein neues Vatikanisches Wirtschaftssekretariat eingerichtet und eine Reform der Kurie in Gang gesetzt. Er hat wichtige Schaltstellen im Vatikan, die bisher Klerikern vorbehalten waren, mit Frauen und Laien besetzt. Sein nachsynodales Schreiben »Amoris laetitia« und andere Verlautbarungen ermutigen die Seelsorger, in der kulturell so viel²ältigen Weltkirche stärker auf die konkrete Situation der Menschen einzugehen. Nicht zuletzt hat er in der gesamten Kirche einen von der Basis getragenen synodalen Prozess angestoßen. Da ist in – für kirchliche Verhältnisse – relativ kurzer Zeit unglaublich viel in Bewegung gekommen. Konkrete Ergebnisse und Entscheidungen, die viele erhofft haben, blieben allerdings oft aus. Damit hat der Papst auch enttäuscht. Aber die Freiheit, über alles sprechen zu können, ohne Rede- und Denkverbote, ist in dieser Form etwas Neues in der katholischen Kirche. Schade genug, dass dies so erst jetzt möglich ist! Aber: Das wird Früchte tragen. Die Anliegen des Synodalen Weges in Deutschland allerdings hat Papst Franziskus nicht immer geteilt und manchmal vielleicht auch nicht richtig verstanden. Dennoch, insgesamt ist mit diesem Papst ein neuer Stil in die Kirche eingezogen, in das innerkirchliche Ringen ebenso wie in das Gespräch der Kirche mit der »Welt«, den anderen Religionen und den vielen, die nicht glauben. Und Stilfragen sind wichtig. Wo sich äußerlich der Stil verändert, ist auch innerlich vieles anders geworden. Franz von Assisi wollte nichts anderes, als das Evangelium leben. Die Faszination der Frohen Botschaft hat ihn zu radikalen Entscheidungen und leidenschaftlichem Engagement gedrängt. Diese Verbindung von Mystik, Evangelisierung und Politik zeichnet gleich das erste Apostolische Schreiben »Evangelii Gaudium« des lateinamerikanischen Papstes aus und kennzeichnet dann sein gesamtes Pontifikat: Die Freude am Evangelium führt die Kirche zu einem neuen missionarischen Au³ruch, zu den Armen und zur prophetischen Kritik eines Wirtschaftssytems, das »tötet«. Freunde hat sich der argentinische Papst mit solchen Aussagen nicht immer gemacht. Man hat über ihn auch den Kopf geschüttelt, und er ist auf Widerstand gestoßen. Aber auch den heiligen Franziskus hielten anfangs viele für einen Narren. Und Jesus selbst wurde von seinen Verwandten für verrückt erklärt. Da befand sich der Jesuit auf dem Papstthron in guter Gesellschaft. Am Ostermontag ist er im Gästehaus des Vatikans mit 88 Jahren verstorben. Als sein Sarg wenige Tage später in die Kirche Santa Maria Maggiore getragen wird, in der er auf eigenen Wunsch begraben werden wollte, hat ihn auf den Stufen der Basilika eine Gruppe von armen und im Leben benachteiligten Menschen begrüßt: Obdachlose, Häftlinge und Migranten. Noch einmal hat Franziskus sie sichtbar gemacht. Die Staats- und Regierungschefs und die anderen Großen und Mächtigen aus 130 Ländern hatte er auf dem Petersplatz zurückgelassen.

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