34 FRANZISKANER 2|2025 sie ebenfalls einen Staat im Staat, um einen Puffer zwischen Ruanda und der 1.600 Kilometer Luftlinie entfernten, kongolesischen Hauptstadt Kinshasa zu etablieren. Die korrupte und marode Armee der DR Kongo hat den gut trainierten Rebellen nichts entgegenzusetzen. Sie musste sich bei zahlreichen Gefechten geschlagen zurückziehen – trotz der Unterstützung durch angeworbene lokale Milizen. Jetzt versucht die Regierung der DR Kongo, mit wirtschaftlichen Instrumenten gegen die Rebellen vorzugehen. Die Zentralbank in Kinshasa hat alle Waren- und Geldströme ins Rebellengebiet gesperrt. Bankfilialen mussten schließen, Geldautomaten wurden abgeschaltet, Konten eingefroren. Gehälter für Lehrer:innen und Staatsbedienstete werden nicht mehr ausbezahlt. Die Wirtschaft wurde quasi lahmgelegt, um die Rebellen am Au³au ihres Staates zu hindern. »Das Geld gehört dem Volk!«, wettert der Rebellenchef Das soll sich nun ändern. Vor der Bankfiliale im Stadtzentrum salutieren Leibwächter, als Corneille Nangaa aus dem schwarzen Geländewagen steigt. Der frühere Leiter der Wahlkommission der DR Kongo ist nun Chef der Rebellenallianz AFC (Allianz des Kongo-Flusses), ein Verband Dutzender bewaffneter Gruppen landesweit, die derzeit gemeinsam und mit militärischer Unterstützung der M23 gegen die kongolesische Regierung kämpfen. Die Bank CADECO war bislang eine Sparkasse für Kleinunternehmen. Jetzt wollen die Rebellen sie als Zentralbank nutzen und ihre Steuereinnahmen dort verwalten lassen, die sie mit Waffengewalt von der Bevölkerung einziehen. Nangaa geht zum Rednerpult: »Dieses Geld gehört dem Volk! Kinshasa will die Menschen bestrafen!«, wettert er und schneidet das Band durch. Der Ostkongo ist für die Rebellenallianz AFC ein Sprungbrett. »Unser Ziel ist nicht Goma«, hatte Nangaa der Bevölkerung zugerufen, als er im Januar die Einwohner Gomas über die Ziele au¿lärte: »Unser Ziel ist Kinshasa!« Gemeint ist damit, Präsident Felix Tshisekedi zu stürzen, der 2019 zum Präsidenten ernannt worden war. »Er hat die Wahl nie gewonnen«, so Nangaa. Er muss es wissen: Bei den Wahlen im Dezember 2018 war er als Chef der Wahlkommission derjenige, der Tshisekedi in einem korrupten Deal zum Sieger ernannte, noch bevor alle Stimmen ausgezählt waren. »Ich habe das Monster geschaffen, also ist es meine Aufgabe, das Monster zu erledigen«, so Nangaa. Simone Schlindwein, Autorin und Journalistin, ist Auslandskorrespondentin der Tageszeitung (taz) für Ost-und Zentralafrika und lebt in der ugandischen Hauptstadt Kampala Leere. Die meisten Händler:innen kommen nicht mehr, weil niemand Geld hat, um etwas zu kaufen. Es gibt kaum einen Krieg auf dieser Welt, über den so wenig berichtet wird wie über den Konflikt in der DR Kongo. Dabei brechen die Opferzahlen alle Rekorde: Derzeit sind weit über sieben Millionen Kongoles:innen auf der Flucht. Allein in den vergangenen zwei Jahren, seitdem die M23-Rebellen stetig neue Gebiete erobern, mussten im Osten des Landes mehr als vier Millionen Menschen ihre Häuser verlassen. Als Ende Januar die Rebellen der M23 die Millionenstadt Goma eroberten, musste sich die Armee der DR Kongo geschlagen zurückziehen. Während der tagelangen Gefechte in und um Goma starben laut UN-Angaben knapp 3.000 Zivilist:innen. Hunderttausende wurden erneut vertrieben. Die Folgen des Völkermordes 1994 in Ruanda Ursache ist der komplexe Konflikt mit dem kleinen Nachbarland Ruanda. Die Folgen des Völkermordes, der 1994 in Ruanda begangen wurde und bei dem über eine Million Menschen vor allem der ethnischen Minderheit der Tutsi durch die ethnische Mehrheit der Hutu getötet wurden, wirken bis heute nach. Denn die M23-Kämpfer sind kongolesische Tutsi, die in den Flüchtlingslagern in Ruanda aufgewachsen sind. Ihre Biografien sind geprägt durch den Genozid. Nachdem die damalige ruandische Hutu-Armee die Tutsi in Ruanda massakriert hatte, floh sie in die DR Kongo – vor den Guerillatruppen unter Tutsi-General Paul Kagame, der seit 25 Jahren Ruandas Präsident ist. Große Teile der ehemaligen Hutu-Armee verschanzten sich jenseits der Grenze in den Wäldern des Ostkongo und gründeten dort einen Staat im Staat. Die ruandischen Hutu-OÀziere gründeten im Exil eine Miliz, die FDLR (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda), die bis heute das erklärte Ziel verfolgt, die Tutsi endgültig auszulöschen. Die FDLR vertrieb die in der DR Kongo ansässige Tutsi-Bevölkerung, die wiederum nach Ruanda floh. Bis heute ist es das erklärte Ziel der M23, die Tutsi aus den ruandischen Flüchtlingslagern wieder nach Hause in die DR Kongo zu bringen und die Hutu-Miliz FDLR zu zerschlagen. Dabei werden sie von Ruandas Regierung militärisch unterstützt. Seit 2021 hat die M23 ein Gebiet entlang der Grenze erobert, das halb so groß ist wie das Nachbarland Ruanda. Jetzt erschaffen
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