38 FRANZISKANER 2|2025 Der Wandel des Ordens und seines Etwa ab 1210 sammelte sich eine rasch wachsende Gemeinschaft um Franziskus. Auf der Basis weniger biblischer Worte zog die Bruderschaft Menschen an, die für die unterschiedlichsten Erfahrungen offen waren: vom Einsiedlertum bis zur Pflege von Leprakranken, von der Mission in unbekannten Ländern bis zur Handarbeit, vom Leben unter Ausgegrenzten bis zum Kontakt mit vornehmen Leuten. Angezogen von der am Evangelium ausgerichteten Gemeinschaft strömten Priester, Gelehrte und Studenten in die Bruderschaft. Die Kleriker-Brüder begannen sich ab 1221 verstärkt an die Bevölkerung in den wachsenden Städten zu wenden, die ohne einen gebildeten Pfarrklerus seelsorglich vernachlässigt waren. Ihre Tätigkeit konzentrierte sich so immer mehr auf die Verkündigung durch die Predigt, die sich mit dem Beichtsakrament verband. Gleichzeitig benötigte Papst Gregor IX., bereits als Kardinal Hugolino mit Franziskus verbunden, gebildete Brüder, um seine Kirchenreform und seinen Kampf gegen Häresien zu unterstützen. Damit zeichnete sich eine kirchenpolitische Einflussnahme ab, die die Bruderschaft mit den päpstlichen Interessen verband. Vor diesem Hintergrund ist Antonius von Padua, der erste oÀzielle Theologe der Minderbrüder und bedeutsame Prediger, einzuordnen. Da nach den Bestimmungen des 4. Laterankonzils nur ausgebildete Priester predigen durften, gab Franziskus 1223/24 Antonius von Padua den Auftrag, die Brüder Theologie zu lehren, »wenn durch das Studium der Geist des heiligen Gebetes und der Hingabe nicht ausgelöscht wird«. Seine Predigerausbildung orientierte sich hierfür an einem bestimmten Kirchenbild. Bevorzugtes Symbol war für Antonius die Erzählung von der Arche Noah. Wie diese, so sollte die Kirche ein Zufluchtsort in den Stürmen der Zeit sein, ein Rettungsschiff, das die Gläubigen sicher in den Hafen des Bundes mit Gott bringt. Ein anderes Bild, das er ausmalte, ist die Deutung des Namens der Stadt Bethlehem, Haus des Brotes. Die Kirche sei dazu da, die Gläubigen zu nähren. Dies verstand er sowohl spirituell als auch existentiell. Die Kirche nähre den Glauben der Menschen durch die Verkündigung des Wortes und die Gabe der Sakramente. Gleichzeitig sei sie auch verantwortlich für das Stillen des leiblichen Hungers, die Fürsorge für die Armen, das Eintreten für die Gerechtigkeit und Würde der Menschen. Ein weiteres wichtiges Anliegen war ihm die Versöhnung und die Herstellung des Friedens, sowohl spirituell – durch das Sakrament der Versöhnung mit Gott – als auch politisch und zwischenmenschlich durch Aussöhnung und Friedensschlüsse. Die Basis für echten Frieden und Versöhnung war für Antonius Lebensumkehr, Buße und Wiedergutmachung sowie die Bereitschaft zu einem Leben nach den evangelischen Tugenden. Dies zu ermöglichen, sei der Dienst der Kirche. Dem Geist der Regel seines Ordens folgend, verkündete Antonius in der Sprache seiner Zeit eine dienende Kirche, was durchaus im Gegensatz zum zeitgenössischen Verständnis einer triumphierenden und herrschenden Kirche stand. Zwei Generationen später wurde durch Bonaventura ein neues Kirchenbild geprägt. Damit reagierte er auf den Veränderungsprozess der ursprünglichen Gemeinschaft, die bereits vor Beginn seiner Lehrtätigkeit und Amtszeit als Generalminister stattfand. Denn das für die Verkündigung notwendige Studium und die Übernahme klassischer seelsorglicher Aufgaben in der Anbindung an das Papsttum, sowie etliche Bischofsernennungen aus der Gemeinschaft hatten den Orden verwandelt. Die wesentlichen Änderungen wurden 1239–1242 unter der Leitung von Haymo von Faversham vorgenommen. Er hinterließ einen Orden mit neuen Strukturen, in den fast ausschließlich Kleriker mit universitärer Ausbildung aufgenommen wurden. Johannes-Baptist Freyer OFM Die Kirche ist dazu da, die Gläubigen zu nähren – spirituell und existenziell.
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