Franziskaner - Sommer 2025

39 FRANZISKANER 2|2025 Kirchenbildes Bald stellten Weltklerus und Universitätsgelehrte die Existenzberechtigung der neuen, einflussreichen Mendikantenorden – Dominikaner und Franziskaner – infrage. Es ging um die Probleme des Bettelns, die Seelsorgeberechtigung und das Recht, die Lehre auszuüben. In Bezug auf die Franziskaner kam noch eine als Irrlehre geltende Auslegung des Ordens und des Hl. Franziskus in Bezug auf die Armut hinzu. Auch die zu große Nähe zum Papsttum galt als fragwürdig. Die Berechtigung der Lebensform verteidigend, bemühte Bonaventura sich innerhalb des Ordens darum, die bereits stattgefundene Veränderung zu rechtfertigen. Dennoch wollte er Merkmale des ursprünglichen Charismas bewahren. Er war bestrebt, den Orden auf herkömmliche Weise in die Pastoral der Kirche zu integrieren und ihm eine endgültige juristische Organisationsform zu geben, die sich an der Spiritualität des Ordensvaters orientierte. In seiner frühen Lehrtätigkeit an der Universität von Paris vertrat Bonaventura ein pyramidales Kirchenbild, mit dem Papst an der Spitze, über die verschiedenen Ränge absteigend, bis zu den einfachen Gläubigen, den Laien. Dabei ging es ihm weniger um die soziale Struktur der Institution Kirche als um ihren mystischen Charakter. Die Hierarchie galt dabei als von Christus eingesetzt und spiegelt die Weitergabe der Weisheit der Offenbarung wider, die von den höheren Rängen, die Christus am nächsten stehen, nach unten weitervermittelt wird, damit alle an ihr teilhaben können. Es ging also nicht um die Zementierung einer hierarchischen Ordnung, sondern um den Dienst, das Wort Gottes allen zugänglich zu machen. Daher sind für Bonaventura die bedeutsamsten Glieder dieser Hierarchie die kontemplativen Menschen und Gemeinschaften und nicht diejenigen, die die institutionelle Spitze bilden. Die Kontemplation galt ihm als Quelle des christlichen Lebensstils und damit als Quelle des Lebens in der Kirche. In seinen späteren Werken vermittelte Bonaventura dann ein anderes Bild von der Kirche. Der Ausgangspunkt hierfür ist die Lehre der Trinität: Das Modell für die Kirche ist der innere Fluss von Liebe und Leben, die »Communio« (Gemeinschaft) der Dreifaltigkeit. In Gott, zwischen den drei göttlichen Personen, gibt es keine Hierarchie. Die drei göttlichen Personen sind gleichrangig, haben in ihren wechselseitigen Beziehungen die gleiche Würde und sind in dieser liebevollen »Communio« eins. Jede der drei göttlichen Personen besitzt ihre Eigentümlichkeit, ohne jegliche Unterordnung. Ebenso sind die Ämter und Glieder der Kirche von gleichem Wert und von gleichem Rang, darunter auch die Laien, und sollten daher eins in der liebevollen »Communio« sein. Die Laien, das heilige Volk, werden als die Gruppe der »aktiven Gläubigen« gesehen, die dazu berufen sind, sich für den Glauben in der Welt einzusetzen. Sie versinnbildlichen das Wirken des Heiligen Geistes. Die Kleriker sind gerufen, durch ihren Dienst an der Gemeinschaft Jesus Christus zu verkörpern. Die kontemplativen Gemeinschaften verweisen auf Gott-Vater. Bonaventura sah die Kirche durch das gleichwertige Zusammenwirken in Liebe der vielen von innen heraus aufgebaut. Wenn wir nun diese beiden Visionen betrachten, müssen wir feststellen, dass die hierarchisch strukturierte Kirche die Gefahr eines kirchlichen Machtstrebens mit einer starren Struktur mit sich bringt. Bonaventura selbst korrigierte mit der Theologie der trinitarischen Struktur die frühere streng hierarchische Sichtweise zugunsten einer »Liebes-Communio«. Es brauchte jedoch Jahrhunderte und die Vertiefung dieser Communio-Theologie durch weitere Theologen, bis sie sich in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) etablieren konnte. Prof. Dr. Johannes-Baptist Freyer OFM lehrte Theologiegeschichte und Franziskanische Theologie in Rom. Heute ist er Referent für franziskanische Grundsatzfragen bei »Franziskaner Helfen« in Bonn.

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