Franziskaner - Winter 2025

13 FRANZISKANER 4|2025 Ιησούν Χριστόν frage keine Rolle mehr« Wie genau ist denn das Bekenntnis einzuordnen? War es ein reiner Lehrsatz? Oder ein Ausdruck von Beziehung, Vertrauen, Anbetung? Für mich ist das Bekenntnis vor allem der Versuch, den Volksglauben an Jesus in Kategorien auszudrücken. Es ging um die Frage, wie man Jesus denken kann, damit er der ist, der sozusagen im Volk lebt – als derjenige, der der Erlöser ist. Derjenige, der uns aus dem Menschsein, so wie es ist, noch mal erheben kann und will zu unserer ursprünglichen Berufung. Dabei ist das Hochinteressante am Konzil von Nicäa, dass der Glaube an die Gottessohnschaft Jesu, wie er nachher definiert worden ist, nicht der Glaube der Mehrheit der Bischöfe war, sondern der Glaube des Volkes. Das zeigt uns, dass manchmal auch die Mehrheit der Bischöfe irren kann. Letztlich ging es also darum, den damaligen Glauben des Volkes dogmatisch akzeptabel, philosophisch praktikabel und ausdrückbar zu gestalten. So wurde letztlich der Jesus, der geglaubt wurde, zum Jesus des Glaubens. Hat die Gottessohnschaft Jesu, also die Menschwerdung, für die Menschen heute noch Bedeutung? Zur Begründung der Menschenwürde gibt es im Großen und Ganzen zwei theologische Figuren: die Geschöpflichkeit und die Inkarnation. Geschöpflichkeit bedeutet, der Mensch ist geschaffen auf Gott hin, als Ebenbild Gottes. Und die Inkarnation besagt eben, dass Gott einer von uns geworden ist. Das ist sozusagen der Anker der Menschenwürde. Wenn Gott in Jesus Christus Mensch wird, dann ist das Menschengeschlecht auf besondere Prof. Dr. Jan Loffeld hat Theologie in Münster und Rom studiert und wurde 2003 zum Priester geweiht. Seit 2019 ist er Professor für Praktische Theologie an der Tilburg School of Catholic Theology in Utrecht. Loffeld ist Berater der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Kirchenmit- gliedschaftsuntersuchung. Weise geadelt. Die Frage, die sich heute aber stellt, ist, wenn Gott keine Rolle mehr spielt, auch in Diskussionen um die Menschenwürde, dann wird seine Menschwerdung ein »Nice-tohave« oder »Nice-to-know«. Und das ist für uns als Kirche heute die Herausforderung, vor der wir stehen: zu zeigen, dass es eben nicht nur ein »Nice-to-know« ist, sondern das große Plus des Glaubens: Gott ist einer von uns geworden. Aber müssen wir dann nicht die Frage stellen, ob die Botschaft der Menschwerdung überhaupt noch zu unserer Verkündigungsrhetorik gehören sollte? Erfüllen wir damit überhaupt noch ein Bedürfnis? Ganz früher war es der Ansatz, den Menschen nachzuweisen, dass sie die Erlösung brauchen, die am Kreuz gewirkt worden ist. Weil sie Sünder sind. Das war das sogenannte staurologische Motiv. In den letzten 60 Jahren haben wir dann aber angefangen, die Verkündigungsrhetorik vom Menschen her zu denken. Wir haben die Frage nach Gott als die Frage nach dem Menschen gestellt – also anthropologisch. Damit wollten wir die Menschen bei ihrem Menschsein abholen. Jetzt merken wir aber, dass viele sich gar nicht mehr abholen lassen wollen. Denn für viele spielt die Gottesfrage für ihr Verständnis des Menschen keine Rolle mehr – weder gesellschaftlich noch individuell. Das liegt daran, dass wir einen Zusammenhang voraussetzen, den wir bei immer weniger Menschen finden: im Glauben an das Leben einen Gottesglauben zu entdecken. Das lässt sich lebenspraktisch nicht nachweisen. Für uns heißt das jetzt also, dass wir uns mit dieser Leerstelle auseinandersetzen müssen. Unsere großen theologischen Paradigmen scheitern hier aber. Was können wir also tun? Bevor wir uns dieser Frage widmen, müssen wir zuerst noch etwas genauer auf die Prozesse PROF. DR. JAN LOFFELD © GERD NEUHOLD – SONNTAGSBLATT

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=