15 FRANZISKANER 4|2025 ανθρωπήσαντα Gruppe von Studierenden hatte ich vor Kurzem eine Diskussion über die Frage, warum Jesus wirklich am Kreuz unter Schmerzen gelitten haben muss. Welchen heilsgeschichtlichen Sinn das hatte. Darüber habe ich mir schon sehr lange keine Gedanken mehr gemacht. Aber für diejenigen, die sich wieder mit dem Christentum als Option auseinandersetzen, sind das ganz ernste Fragen: Kann ich das glauben? Welche Bedeutung hat das für mich? Und das ist etwas, womit die klassischen Säkularisierungstheorien nicht rechnen, weil sie lineare Entwicklungen erwarten: Wenn die Mehrheit ungläubig ist, dann wird sich das ausbreiten. Und der Glaube wird irgendwann ganz verschwinden. Die letzten fünf bis zehn Jahre zeigen aber, dass das nicht der Fall ist. Und unsere Pastoral, also unsere kirchliche Praxis, kann das nicht auffangen? Nein, daran scheitert sie, denn sie ist darauf gar nicht ausgerichtet. Wir haben Kategorien von Wirksamkeit und Evaluationskriterien, die dafür sorgen, dass die Christinnen und Christen in den Gemeinden eine qualitativ hochwertige Seelsorge bekommen. Aber der Umgang mit dem Anatheismus erfordert etwas anderes. Denn hier geht es um die Frage, wo der Glaube seinen Anfang nimmt, das Initium Fidei, wie es Augustinus nannte. Aber ich glaube, darauf hatte auch der Kirchenlehrer keine Antwort. Und wir dürfen auch nicht zu viel erwarten. Auch wenn ich den Anatheismus als Gegentrend zum Apatheismus bezeichne, kann er vom Ausmaß her nicht mithalten. Damit lassen sich eine Volkskirche und ihre Strukturen, wie wir sie heute haben, nicht retten. Dafür ist es quantitativ zu gering. Gott sucht sich seine Wege zu den Menschen also selbst. Und in unseren Strukturen und theologischen Gedankengebäuden ist das gar nicht immer zu erfassen? Genau. Augustinus hätte ja auch nie gedacht, dass er einmal eine so wichtige Rolle einnehmen wird. Oder nehmen wir andere Größen wie Franziskus oder Ignatius: Gott hat ihnen Erfahrungen geschenkt, und sie nahmen dann andere mit auf ihrem Weg, in ihre Ordensbewegungen. Auf diese Weise hat Gott seine Kirche erneuert, die Initiative ging dabei von ihm aus. Und so ähnlich wie Franziskus die Anerkennung des Papstes gesucht hat, sind auch die Menschen, die sich wieder für den christlichen Glauben interessieren, auf der Suche nach einem Gesprächspartner, über den sie sich mit dem Großen und Ganzen verbinden können. Sie wollen eine Rückbindung an die größere Erzähltradition, damit ihre Suche nicht zu einer Art Egotrip wird. Denn wenn jeder seinen eigenen Jesus bastelt, geht die gemeinsame Grundlage verloren. Und hierfür stehen die Orden, die Kirche und letztlich auch der Papst – nicht als Person, sondern als Institution, durch die diese Geschichte sozusagen antreffbar bleibt in der Welt. Also zurück zu der Frage, was wir tun können. Braucht es wieder eine Erneuerungsbewegung? Oder was erwarten Sie perspektivisch? Dass es zu einer Erneuerungsbewegung vergleichbar mit Franziskus oder Ignatius kommt, glaube ich nicht. Das liegt vor allem daran, dass unsere Kultur heute zu plural und zu diversifiziert ist, um solche epochalen Figuren hervorzubringen. In Zukunft wird es für uns vor allem darum gehen, das Evangelium auf unterschiedliche und völlig diverse Weise zu verkörpern. Oder um es gnadentheologisch zu sagen: Wir überlassen es ganz dem Heiligen Geist, was sich wie einprägt und wer wie geprägt wird. Wer sich stark auf Erfolgskriterien hin orientiert, mag sich jetzt etwas mehr erhofft haben, aber die geistige Grundhaltung ist doch die, dass wir Gott wirken lassen. Die Konzepte der letzten Jahrzehnte haben sich jedoch in der Pastoraltheologie ganz stark auf das Machen konzentriert. Wir haben aber jetzt gelernt, dass eben das nicht mehr funktioniert. Daher glaube ich, wie gesagt, dass wir eine tiefe geistige Verbundenheit brauchen, um Kirche leben und tragen zu können. Schließlich geht es im Christentum um die Verbindung von Gott und Mensch. PILGERIN © VUK SARIC – ISTOCK.COM
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