18 FRANZISKANER 4|2025 Die Frage nach Jesus Christus Nicäa 325: so aktuell wie heute Gunda Werner Wenn der Evangelist Markus die Jünger fragen lässt: »Wer ist denn dieser?« (Mk 4,41), so fasst er damit die Grundfrage des christlichen Glaubens zusammen. Da die Gläubigen Jesus nicht mehr persönlich kannten, wurde der Glaube über Erzählungen und die kirchliche Tradition weitergegeben. So bleibt das Offenbarungshandeln Gottes in Jesus Christus für nachfolgende Generationen erhalten. In der Auseinandersetzung über Jesus als Christus – also in der Christologie – werden zentrale Glaubensfragen diskutiert. In den ersten Jahrhunderten der Kirche werden diese Diskussionen von zwei Denkweisen bestimmt: einer jüdischen, in der eher an der Gottheit Jesu gezweifelt wird, und einer hellenistischen, die an der Möglichkeit seiner Menschheit zweifelt. Diese beiden Denkweisen prallen in intensiven Debatten aufeinander, und die junge Kirche ringt um den »richtigen« Glauben. An den Rändern dieser Debatten entstehen Irrlehren (Häresien), die jeweils einen bestimmten Aspekt von Jesu Göttlichkeit oder Menschlichkeit auf Kosten des anderen überbetonen – sie werden schließlich auf dem Konzil von Nicäa verworfen. Eines dieser unter frühen Christen verbreiteten Denkmodelle ist die Erhöhungs- oder Erwählungschristologie. Sie verkürzt jedoch die wahre Gottheit Jesu Christi oder übersieht sie sogar gänzlich. Das zeigt sich in Auffassungen, die Jesu Besonderheit vor allem darin sehen, dass er ein Prophet, ein Engel oder ein besonders von Gott Begnadeter ist – wie etwa bei der frühchristlichen Gruppe der Ebioniten, die Jesus als einen Boten Gottes verstehen. Die bekannteste Ausprägung dieser Denkweise ist der sogenannte Adoptianismus. Er betont die Einheit und Einzigkeit Gottes und lehnt jede Zuschreibung göttlicher Eigenschaften an Jesus ab. Stattdessen gilt er als auserwählter bzw. adoptierter Sohn Gottes. Ein weiteres frühchristliches Denkmodell ist der Modalismus, der sich auf die Einzigkeit Gottes konzentriert. Dabei steht zwar das Bekenntnis zur vollen Gottheit Jesu im Vordergrund, jedoch geschieht das auf Kosten der klaren Unterscheidung zwischen Vater und Sohn. In dieser Sichtweise ist Jesus keine eigene Person, sondern nur eine Erscheinungsweise des einen Gottes. Zu den Vertretern des Modalismus gehören die Sabellianer, die von einer göttlichen Existenzweise ausgingen, die sie »Sohnvater« nannten. Diese eine Gottheit habe sich in drei zeitlich aufeinanderfolgenden Weisen gezeigt: zuerst als gesetzgebender Vater, dann als der Sohn, der von der Menschwerdung bis zur Himmelfahrt als Erlöser auftritt, und schließlich als Heiliger Geist in der Heiligung der Seelen. Gott erscheint hier also nur in seinem Handeln dreifaltig. Dem steht die Lehre des Doketismus entgegen, die davon ausgeht, dass Jesus nur einen Scheinleib angenommen hat. Als letzte vornicäische Denkmodelle sollen noch die Präexistenz- und Inkarnationschristologien/ Deszendenzchristologien erwähnt werden. Sie konzentrieren »Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.« Matthäus 16,15–16; Einheitsübersetzung Die Frage nach Jesus Christus begleitet die Kirche seit ihren Anfängen: Wer ist dieser Jesus, Sohn Marias und Josefs, Messias, Sohn Gottes? Auf diese Frage brauchte es Antworten, die sich in der Auseinandersetzung mit den jüdischen und griechischen Vorstellungen behaupten konnten. Unzählige Positionen dazu belegen die Uneindeutigkeit des theologischen Sprechens. Das Konzil von Nicäa (Nikaia) brachte Klärung und Eindeutigkeit. GEMÄLDE © DUCCIO DI BUONINSEGNA »Die Berufung der Apostel Petrus und Andreas«, entstanden zwischen 1308 und 1311
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