29 FRANZISKANER 4|2025 Kardinal Pierbattista Pizzaballa OFM ist Franziskaner und lebt seit 1990 in Jerusalem. Von 2004 bis 2016 war er Kustos des Heiligen Landes. Seit 2020 ist er Lateinischer Patriarch in Jerusalem, nachdem er vier Jahre lang das Amt des Apostolischen Administrators sede vacante des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem ausgeübt hatte. hängt davon ab, ob man im Ausland eine Chance bekommt. Aktuell wollen einige von denen, die zu Beginn des Krieges, als die Grenze noch offen war, gegangen sind, zurückkommen. Das zeigt, dass auch sie mit ernsthaften Problemen konfrontiert sind. Sie haben keine Visa und keinen rechtlichen Status, daher kehren sie lieber nach Hause zurück. Wie war es eigentlich vor dem Krieg, als Christ im von der Hamas kontrollierten Gazastreifen zu leben? Wie gesagt, wir hatten vier Schulen, die wir frei und problemlos betreiben konnten. Wir konnten auch innerhalb unseres Geländes unseren Glauben frei ausüben. Natürlich konnten wir keine Fronleichnamsprozession auf den Straßen veranstalten, aber das haben wir auch vor der Hamas nicht getan. Zeitweise hatte die Hamas-Regierung auch eine spezielle Abteilung, die für Nichtmuslime zuständig war – also nur für uns, da wir die einzigen Nichtmuslime dort sind. Gelegentlich kam es zu Konflikten oder Missverständnissen mit einigen muslimischen Familien, aber das gehört zum Leben dazu. Insgesamt waren die Beziehungen immer recht respektvoll Diesen Sommer haben Sie Taybeh im Westjordanland besucht, kurz nachdem das Dorf von extremistischen Siedlern angegriffen wurde. Sie und andere Kirchenführer sind dorthin gereist, um auf diese Angriffe aufmerksam zu machen. Was genau ist passiert? Taybeh ist das einzige christliche Dorf im Westjordanland und daher für uns neben Bethlehem natürlich eine Art Symbol. Aber das Problem der Siedler im Westjordanland betrifft alle Dörfer. Was passiert ist: Die Siedler haben versucht, sich Teile des Landes anzueignen und die Bewohner auf dem Weg zu ihren eigenen Feldern zu behindern. Viele von ihnen arbeiten in der Landwirtschaft. Jetzt ist zum Beispiel gerade Erntezeit für Oliven, und die Siedler wollen das verhindern, um der Bevölkerung dort Probleme zu bereiten. Wir mussten dorthin fahren und eine Messe feiern, auch mit der Presse, um der Gemeinde unsere Unterstützung zu zeigen und auf das Problem aufmerksam zu machen. Wir haben auch ein Ende der Angriffe und die strafrechtliche Verfolgung der Täter gefordert. Aber da ist nichts passiert. Deshalb haben wir uns mit mehreren Generalkonsulaten in Jerusalem abgestimmt, um während der Olivenernte jeden Tag vor Ort zu sein. Denn wenn die Siedler Ausländer und Diplomaten sehen, halten sie sich zurück. So weit müssen wir gehen, um das Recht der Menschen zu sichern, auf ihrem eigenen Land zu arbeiten. Sollten sich nicht die Sicherheitskräfte darum kümmern? Wie ist das in Taybeh organisiert? Ich muss daran erinnern, dass das Westjordanland in drei Gebiete unterteilt ist. Gebiet A steht vollständig unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde. In Gebiet B wird die Verwaltung von der Palästinensischen Kardinal Pizzaballa (Mitte) mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos bei ihrem Besuch in der Gemeinde der Heiligen Familie in Gaza-Stadt im Juli 2025 GRUPPENFOTO © LATIN PATRIARCHATE OF JERUSALEM | PORTRÄT PIZZABALLA © MOSTAFA ALKHAROUF – PICTURE-ALLIANCE.COM
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