Franziskaner - Winter 2025

3 FRANZISKANER 4|2025 SCHLOSS © ASCENTXMEDIA – ISTOCK.COM »Die Zeit der Käfighaltung ist vorbei« Am Anfang von Ulrich Harbeckes Roman »Der gottlose Pfarrer« steht ein Moment, der erschüttert: Pfarrer Wilhelm Hausner tritt am Ostermorgen auf die Kanzel – und verstummt. Ausgerechnet am höchsten christlichen Feiertag verliert er seinen Glauben. Kein Donnerschlag, keine Provokation – nur die schlichte, ehrliche Erkenntnis: Ich kann das nicht mehr sagen. Was wie ein Zusammenbruch beginnt, wird für viele zum Aufbruch. Die Gemeinde, die Kirchenleitung, die Menschen ringsum – alle müssen sich neu vergewissern: Was glaube ich eigentlich? Harbeckes Roman zeichnet nach, wie aus einem persönlichen Zweifel gemeinsames Fragen wird. Der »gottlose Pfarrer« wird ungewollt zum Zeugen einer tiefen Einsicht: Glauben kann man nicht besitzen. Man kann ihn nur immer wieder wagen. Am Ende seines Romans lässt Harbecke Pfarrer Hausner mit prägnanten Worten von seiner Gemeinde Abschied nehmen: »Die Zeit der Käfighaltung ist vorbei!« Die Zeit, in der wir den Glauben in sichere Gehege sperrten – in Dogmen, Rollen, Zuständigkeiten –, sei vorüber. Pfarrer Hausner trifft damit einen neuralgischen Punkt. »Credo – Ich glaube« bedeutet eben nicht: Ich unterschreibe einen Vertrag mit Gott oder der Kirche. Sondern: Ich vertraue. Ich öffne mich – trotz Unsicherheit, Zweifel, Dunkelheit – für das Geheimnis, das wir Gott nennen. Gerade wenn der Glaube brüchig wird, zeigt sich seine Tiefe. Denn Gott ist nicht der, den wir im Griff haben, sondern der, der sich uns immer wieder entzieht – und uns doch hält. Vielleicht beginnt wahrer Glaube genau dort, wo wir nicht mehr weiterwissen, aber immer noch hoffen. In dieser Ausgabe von FRANZISKANER geht es um das Glaubensbekenntnis der Kirche. Das Credo spiegelt reflektierte Glaubenserfahrung wider – Worte, die uns verbinden und zugleich öffnen wollen für das Geheimnis Gottes, der größer ist als all unsere Worte. Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre, eine segensreiche Winterzeit – und immer wieder ermutigende Glaubensmomente! Br. Markus Fuhrmann OFM (Provinzialminister)

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