8 FRANZISKANER 4|2025 1700 Jahre Nicäa »Wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen.« Mit diesen Worten beginnt das nicäno-konstantinopolische Glaubensbekenntnis, das wir in jedem Sonntagsgottesdienst sprechen – 1.700 Jahre alt ist dieses in Worte und Begriffe gegossene Bekenntnis zum dreifaltigen Gott, das als »ökumenisches« Glaubensbekenntnis seinen unverlierbaren Platz in Liturgie und Lehre der Kirche einnimmt. Es bleibt zu fragen, ob es uns Menschen im 21. Jahrhundert noch immer erreicht, berührt, stärkt. Als Mensch möchte ich glauben. Ich möchte an etwas glauben. Ich möchte glauben an den Gott meines Lebens. Über diesen Wunsch hinaus bekenne ich mitsprechend und mitbetend jedes Mal, dass ich glaube. Nicht immer reflektiert, so dass ich auf jede Nachfrage eine Antwort hätte. Aber grundsätzlich gesprochen: Ja, ich halte mich für einen Mann, der als bekennender Christ in unserer Zeit lebt. Beim Beten des Credos geht es in mir mitunter zwiespältig zu: Nicht immer sind mir alle Glaubenswahrheiten präsent; nicht immer erschließt sich mir jedes Glaubensgeheimnis in gleicher Weise; nicht immer gehen mir die sprachlichen Brocken leicht von den Lippen – und doch ist es das Bekenntnis der Kirche, das identitätsstiftend das Wesentliche meines Glaubens umschließt. In der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Credos weiß ich natürlich, dass dieser Text »geworden« ist und sich nach unerbittlichen theologischen Kämpfen und Diskursen des 4. Jahrhunderts als ökumenisch etabliert hat – wenngleich er auch in den nachfolgenden Jahrhunderten Streit mit sich brachte. Als im Jahre 325 n.Chr. in der kleinasiatischen Stadt Nicäa mehr als 2.000 Menschen zusammenkamen, darunter 200 bis 300 Bischöfe aus dem ganzen west- und oströmischen Reich, war das Christentum an einem Wendepunkt. Zum ersten Mal in seiner Geschichte versammelte sich die junge Kirche, um gemeinsam über ihren Glauben zu beraten – und das auf Einladung eines Kaisers, der seine Macht zu festigen gedachte. Er wollte wissen: Wer seid ihr Christen? Woran glaubt ihr? Durch die Einladung an alle Bischöfe wollte er eine neue Einheit stiften, die ihm politischen Nutzen bringen sollte. Das erste Konzil von Nicäa war mehr als eine theologische Konferenz. Es war ein Ereignis, das Religion und Politik neu verband und die Grundlage des christlichen Glaubens bis heute prägt. Ein Glaube sucht Einheit Das Christentum hatte gerade erst die schlimmsten Verfolgungen hinter sich. Zwölf Jahre zuvor hatte Kaiser Konstantin der Große mit dem Toleranzedikt von Mailand (313) die Religionsfreiheit verkündet. Die Kirche durfte nun öffentlich wirken und gewann rasch an Einfluss. Doch dieser neu gewonnene Friede brachte ein altes Problem ans Licht: Uneinigkeit im Inneren. Besonders heftig wurde über die Frage gestritten, wer Jesus Christus war. War er wirklich Gott – oder nur ein besonders gottähnlicher Mensch? Der Priester Arius behauptete, Jesus sei von Gott geschaffen worden, also nicht ewig und göttlich im gleichen Sinn wie der Vater. Für ihn war der Sohn ähnlich (homoiousios), aber nicht wesensgleich (homoousios) mit Gott. Diese kleine sprachliche Nuance – nur ein Buchstabe Unterschied – entzündete eine der größten Krisen der frühen Kirche. Denn wenn Jesus nicht wahrer Gott war, wie konnte er dann die Menschheit erlösen? Für die Gegner des Arius ging es um das Herzstück des Glaubens. Konstantins Kalkül Kaiser Konstantin war kein Theologe, aber ein kluger Machtpolitiker. Er erkannte, dass die Glaubensstreitigkeiten das mühsam geeinte Reich zu spalten drohten. Für ihn war die Kirche ein Mittel zur Einheit des Reiches, religiös wie politisch. Ein zerstrittener Glaube passte nicht zu seiner Vision eines christlich geprägten Imperiums. Also lud Konstantin die Bischöfe in seine Sommerresidenz nach Nicäa ein – ein deutliches Zeichen kaiserlicher Autorität. Kirchenführer aus allen Regionen des Reiches folgten der Einladung. Sie diskutierten wochenlang, unterstützt von kaiserlichen Beratern, und versuchten, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Am Ende setzten sich die Gegner von Arius und seiner Lehre, des Arianismus, durch. Das Konzil erklärte feierlich, dass Jesus Christus »eines Wesens mit dem Vater« (homoousios to Patri) sei. Damit wurde die Göttlichkeit Christi als verbindlicher Glaube festgeschrieben. Arius wurde verurteilt, seine Schriften verbrannt, und das Bekenntnis von Nicäa trat an seine Stelle.
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