Franziskaner Mission 3 | 2024

dieser Feiern. Sie bereichern ein Fest und tragen zur Kommunikation der beteiligten Gäste bei. Menschen kommen nicht, um sich satt zu essen, sondern um Gemeinschaft zu erfahren. Das miteinander Essen stiftet Gemeinschaft. Man isst und teilt das, was auf dem Tisch dargeboten wird. In Vietnam, besonders in ländlichen Regionen, nehmen die Familienmitglieder immer gemeinsam ihre Mahlzeiten ein. Man wartet sogar auf die, die später von der Arbeit kommen. Während der Mahlzeit unterhält man sich, man tauscht sich über das Geschehene vom Tag aus. Dieser regelmäßige Austausch stärkt die Beziehung der Familienmitglieder untereinander und hält sie zusammen. Man teilt aus der gleichen Schüssel heißt auch, man teilt miteinander das gemeinsame Leben. Überirdisches Essen und Trinken beschränken sich nicht nur auf das diesseitige Leben der Menschen. Die Menschen pflegen in Vietnam (und auch in China) besondere Verbindungen zu den Verstorbenen, die Ahnenverehrung. Die Namen der verstorbenen Ahnen werden auf dem Altar im Hause aufgestellt. Die Ahnenverehrung besagt, dass die Seelen der Verstorbenen durch die Namensbezeichnung (Seelentafel) weiterhin in der Familie leben. Sie beschützen die Nachkommen vor Gefahren. Über freudige Ereignisse werden die Ahnen unterrichtet, und es werden ihnen Opfergaben als Dankbarkeit dargebracht. Zum Todestag der Verstorbenen kommen alle Familienmitglieder zusammen und gedenken des Verstorbenen. Dabei werden Opfergaben wie Speisen, Obst und Räucherstäbchen vorbereitet und durch Gebete den Ahnen dargebracht. Die Seele des Verstorbenen möge die Speise verzehren, damit es ihr in der Totenwelt gut geht – so bitten die Menschen. Nach diesem Ritual werden die Opfergaben von der Familie verspeist. Auch hier stiftet das Mahl Gemeinschaft, ein Zusammenhalt aller über den Tod hinaus. Kostbare Speisen Das Neujahrsfest spielt eine wichtige Rolle und ist in der vietnamesischen und chinesischen Kultur unverzichtbar. Während des dreitätigen Festes wünschen Kinder und Enkelkinder den Großeltern Gesundheit und ein langes Leben zum Neuen Jahr. Dabei erweisen sie ihnen Dankbarkeit durch »bánh giầy und bánh chưng« als Geschenk. Dabei handelt es sich um ein nahezu märchenhaftes Gericht. Unter König Hung VI. wurde erzählt, dass ein Erlass herausgegeben wurde, der besagt: Der Prinz, der das Gericht kocht, das dem König am besten gefällt, wird die Krone erhalten. Der 18. Prinz war nicht so wohlhabend wie seine Brüder. Ihm erschien jedoch eine Gottheit, die ihm folgendes Rezept gab: »Alles Essbare auf der Welt ist nicht kostbarer als Reis. Reis ernährt die Menschen und verliert nie den Geschmack. Alles andere ist dem Reis nicht überlegen. Hole Klebreis und mache daraus Gebäck in quadratischer und runder Form. Das Quadratische symbolisiert die Erde und das Rundliche steht für den Himmel. Fülle das Gebäck mit leckeren Delikatessen. Diese innere Feinkost soll die Dankbarkeit gegenüber unseren Eltern zeigen. Dann verpacke das Gebäck mit Blättern (Bananenblätter).« Nachdem dies Rezept fertig war, reichte der 18. Prinz das Gebäck dem König. Er kostete und ihm gefiel die Bedeutung und auch der Geschmack sehr. So bekam der 18. Prinz namens Lang Liêu den ersten Preis. Zu jedem Neujahrsfest schenkte der König seinen Eltern »bánh giầy und bánh chưng«. Durch wichtige Ereignisse und Geschichten wird der Esskultur in Vietnam eine große Bedeutung zugeschrieben. Der Mensch braucht Essen zum Leben. Darüber hinaus braucht er aber eine besondere Nahrung, nämlich eine Nahrung in Form von Tischgemeinschaft mit anderen Menschen als Kultur, die es über Generationen hinaus zu pflegen gilt. Der Autor Chi Thien Vu gehört zur Deutschen Franziskanerprovinz und arbeitet als Seelsorger in der Franziskanerpfarrei Dortmund. Außerdem pflegt er den Kontakt mit der vietnamesischen Gemeinde in Deutschland. Bánh giày (links) und Bánh chưng (rechts) 29

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