Helmut Schmidt, Bundeskanzler (1974–1982) und bis zu seinem Tod Mitherausgeber der Wochenzeitung DIE ZEIT (1983–2015) hat das Bonmot geprägt, wer Visionen habe, sollte zum Arzt gehen. Diese ironische Bemerkung war zum Glück nicht wirklich ernst gemeint. Denn tatsächlich braucht man, um Zukunft zu gestalten, Visionen. Die Millenniumsziele und ihre Nachfolger, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, sind eine solche Vision. Weltanschauung Globale Mitverantwortung tragen Politik kann man von zwei Seiten aus betrachten. Einmal aus Perspektive der Politikgestaltenden, also der Politikerinnen und Politiker, und zum anderen aus Sicht derjenigen, die Politik bewerten, also den Wählerinnen und Wählern. Um Politik zu gestalten, brauchen politische Parteien und die sie tragenden Politikerinnen und Politiker zwei Dinge: eine Vision und eine Weltanschauung. Die Vision ist die Vorstellung, wie die Zukunft aussehen soll: Alle demokratischen Parteien setzen sich in unseren Breitengraden für weltweite Freiheit, Frieden und Wohlstand ein. Die acht Millenniumsziele und die 17 Nachhaltigkeitsziele formulieren eine Zukunft, in der Elend und Not, Hunger und Gewalt, Dummheit und Autoritarismus beseitigt sind und damit auch viele Fluchtursachen. Die Frage, wie diese Millenniumsziele von der Politik umgesetzt werden, ist eine Frage der Weltanschauung. Liberale Parteien wie die FDP setzen auf marktwirtschaftliche Mechanismen und die Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Konservative Parteien wie die Union auf bewährte Instrumente, die der Bevölkerung nicht zu viel Veränderung zumuten, und progressive Gruppierungen, wie DIE GRÜNEN, fordern schnelle und einschneidende Änderungen, weil sie zum Beispiel anhand der Klimakatastrophe oder der Belastungen durch weltweite Fluchtbewegungen die Zeitnot sehen, in der sich die Menschheit befindet. Für diejenigen, die in Wahlen Politik bewerten, gibt es ähnliche Mechanismen. Sie müssen zwar die Visionen und Ziele nicht formulieren, aber sie müssen Kriterien finden, diese zu bewerten, um sie bei Wahlen durch Zustimmung zu unterstützen oder durch Ablehnung zu verhindern. Dies tun sie anhand ihrer politischen Meinung, die durch ihre Weltanschauung geprägt ist. Weltanschauung ist in diesem Fall die persönliche Sichtweise auf die Welt. Das Beispiel vom Glas, das zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist, veranschaulicht das sehr schön: Zwei Personen sehen das gleiche Glas, aber die eine sieht es positiv als halbvolles Glas und die andere negativ als halbleeres Glas. Lebensgrundlage sichern Unsere eigene Weltanschauung wird geprägt von unserer Sozialisation, also der Summe von Beziehungen, Erfahrungen und Kenntnissen, die uns Familie, Freundeskreis, Arbeits- und Wohnumfeld, Bildung und Lebensereignisse vermittelt haben und die uns helfen, die Welt zu verstehen und zu bewerten. TEXT: Prof. Dr. Thomas M. Schimmel | FOTO: Cedrick / stock.adobe.com
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=