Wir Menschen gestalten unsere Zeit-Räume. Auch innerkirchlich strukturieren Jubiläen die Zeit und geben ihr ein religiöses Gepräge. Ein kleiner Einblick in die historische Entwicklung der Heiligen Jahre. Pilger der Hoffnung Die Geschichte der Heiligen Jahre »Heiliges Jahr« – das klingt fromm und gottesfürchtig … und ein wenig einseitig, wenn es nur unter binnenkirchlicher Perspektive wahrgenommen wird. Spannender ist es, Kirchengeschichte unter verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Der kriminalistische Blick stellt beispielsweise fest, dass es selbst bei Päpsten Korruption und Vetternwirtschaft gegeben hat. Zwar war Borgia-Papst Alexander VI. der erste, der 1500 eine »Heilige Pforte« im Petersdom eröffnete, doch floss das Opfergeld aus den neben dem Portal aufgestellten Truhen zum Teil in die Taschen seines Sohnes Cesare. Clemens VII. verbot daher 25 Jahre später, überhaupt Opfergeld zu kassieren. Dem ökonomischen Blick wird nicht entgehen, dass große Jubiläen mit Hunderttausenden von Pilgern, später gar Millionen von Besuchern, immer auch ein Wirtschaftsfaktor sind. Der kritische theologische Blick wird bemerken, dass päpstliche Entscheidungen stets kirchenpolitische Implikationen haben. Heilige Jahre dienten neben der geistlichen Erneuerung durchaus als machtpolitische Repräsentanz der Kirche, der Abwehr protestantischen Einflusses, zur Stabilisierung insbesondere nach dem Trienter Konzil, der Unterdrückung modernistischer Strömungen und manchem mehr. Heilige Jahre waren im Laufe ihrer Geschichte eine Mischung aus Protz und Prunk, Jubel und Dank, Sühne und Buße. Heiliges Jahr 2025 Heilige Jahre waren Gelegenheiten zu besonderen Akzenten: Im Jahr 2000 legte Johannes Paul II. ein Schuldbekenntnis für die Kirche ab, im Jahr 1975 hob Paul VI. die Exkommunikation der byzantinischen Kirche auf, im Jahr 1950 verkündete Pius XII. das Dogma der Aufnahme Mariens in den Himmel. Es blieb jedoch nicht bei den regulären bislang 26 Heiligen Jahren. Zu besonderen Anlässen wurden außerordentliche Heilige Jahre ausgerufen, so im Jahr 2015 von Franziskus anlässlich des 50. Jahrestags des Endes des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es war in besonderer Weise der Barmherzigkeit gewidmet und zeichnete sich dadurch aus, dass weltweit »Pforten der Barmherzigkeit« in Kathedralkirchen, Heiligtümern, Krankenhäusern und Gefängnissen geöffnet wurden. Der Papst beauftragte »Missionare der Barmherzigkeit«, denen er die dem Heiligen Vater vorbehaltene Vollmacht zur Sündenvergebung anvertraute. 1983 hatte Johannes Paul II. ein Heiliges Jahr zu Ehren des 1.550 Jahrestags des Todes und der Auferstehung Jesu ausgerufen, Pius XI. feierte 1933 ein Heiliges Jahr zur Erinnerung an 1.900 Jahre seit dem Erlösungstod Jesu. 1854 verkündete Pius IX. das Dogma der Unbefleckten Empfängnis ebenfalls im Rahmen eines außerordentlichen Heiligen Jahres, von denen es insgesamt 86 gab. Sie wurden weltweit oder in den Ortskirchen gefeiert und dauerten manchmal nur wenige Tage. Wie oft zu feiern? Bereits die Einführung des ersten Heiligen Jahres durch Bonifaz VIII. im Jahr 1300 fiel nicht einfach vom Himmel. Die Pilgerreise nach Rom ersetzte die Buß- und Wallfahrtsidee der gescheiterten Kreuzzüge. In der Kirchengeschichte ist das Heilige Jahr also ein relativ neues Phänomen. Ursprünglich war es für alle 100 Jahre vorgesehen. Clemens VI. ordnete die Wiederkehr eines Heiligen Jahres nach jeweils 50 Jahren an. Das Heilige Jahr 1350 musste jedoch ohne TEXT: Dr. Stefan Federbusch ofm | FOTO: KNA / Osservatore Romano 6
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=