2025 Kulturen machen Kleider Geschmackssache
FRANZISKANER MISSION erscheint viermal im Jahr und kann als kostenfreies Abo bestellt werden unter Telefon 02 31-17 63 37 65 oder info@franziskanermission.de. »Franziskaner Mission« erscheint im Auftrag der Deutschen Franziskanerprovinz von der heiligen Elisabeth – Germania. HERAUSGEBER Franziskaner Mission REDAKTIONSLEITUNG Augustinus Diekmann ofm REDAKTION Dr. Cornelius Bohl ofm, Stefan Federbusch ofm, Natanael Ganter ofm, Heinrich Gockel ofm, Márcia Santos Sant'Ana, René Walke ofm, Pia Wohlgemuth GESTALTUNG sec GmbH, Osnabrück DRUCK Bonifatius GmbH, Paderborn Herstellungskosten dieser Zeitschrift: Die »Franziskaner Mission« wird nicht von Spendengeldern, sondern aus den Erlösen eines speziell hierfür eingerichteten Missionsfonds finanziert. Impressum FRANZISKANER MISSION Franziskanerstraße 1, 44143 Dortmund Telefon: 02 31-17 63 37 5 info@franziskanermission.de www.franziskanermission.de Spenden erbitten wir, unter Angabe des Verwendungszwecks, auf folgende Konten: SPARKASSE HELLWEG-LIPPE IBAN DE13 4145 0075 0026 0000 34 BIC WELADED1SOS VOLKSBANK HELLWEG EG IBAN DE44 4146 0116 0000 0051 00 BIC GENODEM1SOE PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC/04-31-0934 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern www.pefc.de PEFC-zertifiziert PEFC-zertifiziert PEFC/04-312
Liebe Leserin, lieber Leser! Hat die Katholische Kirche wirklich keine anderen Probleme? Kaum war Benedikt XVI. gewählt, schafften es seine roten Schuhe in die Medien. Bei Franziskus wurden dann die etwas klobigen schwarzen Straßentreter kommentiert. Und Leo XIV. fiel sofort damit auf, dass er wieder die breite Barockstola aus dem Schrank holte. Nein, das ist nicht allein persönliche Geschmackssache. Kleidung transportiert eine Botschaft: Zeig mir, wie du dich anziehst, und ich sage dir, wie du tickst. Nicht umsonst wollte Franz von Assisi, dass seine Brüder »geringwertige Kleidung« tragen (BR 2,16). Das war Protest gegen ein frühkapitalistisches Gesellschaftssystem, das sein eigener Vater beispielhaft verkörperte (und der war auch noch Tuchhändler!), und zugleich ein Akt der Solidarisierung mit den Armen, die dieses System produzierte. Kleider machen Leute. Das wusste nicht nur der Hauptmann von Köpenick. Schon die frühe christliche Gemeinde kämpft damit, dass man Menschen »mit goldenen Ringen und in prächtiger Kleidung« hofiert und bevorzugt, während »Arme in schmutziger Kleidung« an den Rand gedrängt werden (Jak 2,2f). Traurig, wenn ein Designer-Label über den Wert eines Menschen entscheidet! Ebenso traurig übrigens wie eine Uniformierung im Einheitslook, bei der die eigene Persönlichkeit in der gleichgeschalteten Masse untergeht. Oder ein Mensch, der in seinem äußeren Auftreten vergammelt, weil er seine Selbstachtung verloren und sich selbst aufgegeben hat. Kleider machen Leute – das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn umgekehrt machen eben Leute die Kleider: Eine innere Haltung, eine Überzeugung, eine Kultur drückt sich nicht zuletzt in der Kleidung aus. Kleidung – das ist auch ein hoch spirituelles Thema. Wiederholt greift die Heilige Schrift dieses Bild auf. Gott »kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit«, freut sich der Gesalbte des Herrn (Jes 61,10). Wer auf Christus getauft ist, so Paulus, hat »Christus als Gewand angelegt« (Gal 3,27). Sehr konkret, aber nicht weniger geistlich ist die Frage, wo meine Kleidung herkommt. Abertausende Kinder und Frauen in weit entfernten Ländern stellen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Sklavenarbeit Billigklamotten her, damit wir hier ein paar Euro sparen. Und dann ist da nicht zuletzt das klare Urteil Jesu aus der Gerichtsrede: »Ich war nackt, und ihr habt mir keine Kleidung gegeben.« (Mt 25,43) Nackte bekleiden ist eines der nach wie vor aktuellen Werke der leiblichen Barmherzigkeit. In dem Heft, das Sie in den Händen halten, geht es um Kleider. Aber es ist keine Modezeitschrift. Es behandelt Themen, die viel mit dem christlichen Glauben und der weltkirchlichen Arbeit von uns Franziskanern zu tun haben: Es geht um den Wert und die Würde des Menschen, um die Freude an der Individualität und den Kampf um gleiche Rechte für alle, um menschenwürdige Lebensbedingungen, Gerechtigkeit und Solidarität. So politisch und spirituell kann Mode sein! Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. P. Cornelius Bohl ofm Sekretär für Mission und Evangelisierung TITEL Das farbenfrohe Foto auf der Titelseite entstand in Samanjiro, einem Distrikt in der tansanischen Region Manyara, wo die ethnische Volksgruppe der Massai lebt. Das traditionell gekleidete und geschmückte Mädchen nimmt an den Feierlichkeiten eines stammeseigenen Initiationsritus teil. Dabei wird gesungen und ausgelassen getanzt, während junge Massai-Männer den feierlichen Übergang von einer jüngeren Altersgruppe zum Erwachsensein vor der versammelten Gemeinschaft vollziehen. 3
Inhalt 6 Nacktheit in der Schöpfung Der Mensch und seine Frau – Adam und Eva Dr. Johannes Roth ofm 8 Franz von Assisi und die Kleider Von einem, der sich auszog, um das Christsein zu lernen Cornelius Bohl ofm 10 Ordenskleider Wie das Tragen des Habits junge Franziskaner verändert Richard Cortés López ofm 14 Fast Fashion Kleidung als Wegwerfprodukt Prof. Dr. Thomas M. Schimmel 16 Modedesign in Ruanda Kreativität in der Pater-Vjeko-Berufsschule Joseph Nzirorera 20 Nahtstelle zur Zukunft Nähkurse in der Demokratischen Republik Kongo Romana Baković ofs 22 Kulturelle Identität Traditionelle Kleidung der Jarai in Vietnam Chi Thien Vu ofm; Trung Phat Nguyen ofm 24 Gleichheit und Zusammenhalt Schulkleidung in Nordostbrasilien Zacarias Nunes Lopes ofm 26 Identität in Bolivien Eigene Bräuche lebendig halten Delina Calani Velasquez 28 Glauben zum Anziehen Kleidung mit christlicher Botschaft Johon Sidney Oliveira Morais 30 Einzigartiges Schuhwerk Franziskanerinnen ermöglichen festen Schritt Berta Marisa Soto FMM 32 In Memoriam Sebastião Ribeiro Salgado Anne Reyers 34 Nachruf 35 Projekt 10 16 14 6
Personalia MIGUEL LÖFFLER OFM Am 13. August feierte der Franziskanermissionar Miguel Löffler seinen 91. Geburtstag – zusammen mit seinen brasilianischen Mitbrüdern der Franziskanerkustodie von den Sieben Freuden Marias in Dourados, Mato Grosso do Sul. 1964 kam er, fünf Jahre nach seiner Priesterweihe, nach Brasilien. Er ist der letzte der 72 deutschen Missionare, die seit 1937 nach Mato Grosso gingen. Während seiner ersten sieben Jahre als Missionar war er Lehrer für Portugiesisch, Geographie und Religion am Seminar Rio Brilhante. Durch seelsorgerliche Hingabe half er Obdachlosen und Gefangenen sowie Kranken und Gewaltopfern, denen er auf seinem Lebensweg begegnete. FRANK HARTMANN OFM Nach dreijährigem Aufenthalt in der Franziskanerprovinz Unserer Lieben Frau von Guadelupe in Zentralamerika ist Bruder Frank nach Deutschland zurückgekehrt. Er arbeitete in Guatemala in einer Herberge für Migrierende. Bereits von 2007 bis 2010 lebte und wirkte Frank Hartmann in einer anderen Ortskirche. Es zog ihn nach Kuba. Zwischen seinen beiden weltkirchlichen Einsätzen lebte er in Mannheim. Jetzt wird der weit gereiste Franziskanerbruder Seelsorger und Guardian im Franziskanerkloster Dortmund. Seine internationalen Erfahrungen werden auch eine wichtige Stütze für die Arbeit der Franziskaner Mission sein. ANSELMO CASTRO ESCOBAR OFM Anselmo Castro Escobar, 1967 im bolivianischen Aiquile geboren, leitet die Franziskanerpfarrei San Carlos Borromäo in den armen Randvierteln der Großstadt Cochabamba, im Hochland Boliviens. In dem großen Pfarrgebiet betreibt er sechs Kinderhorte mit Suppenküchen. Sein Engagement trägt zu einem sehr lebendigen Gemeindeleben bei. Neben seinen vielfältigen Aufgaben als Pfarrer ist Pater Anselmo auch geistlicher Begleiter des Kinderhortes Hilando Sueños, über den wir auf den Seiten 26–27 in diesem Heft berichten. Viele der Kinder dort kennt er schon von klein auf und hat immer ein offenes Ohr für sie und ihre Familien. 24 30 26 28
Nacktheit in der Schöpfung Der Mensch und seine Frau – Adam und Eva Es gibt in der hebräischen Sprache zwei verschiedene Wörter für das Adjektiv »nackt«: ‘ārôm und ‘êrom. Auch für das Substantiv »Nacktheit« gibt es zwei Begriffe: ‘êrom und ‘ærjāh. Der Zustand des Nacktseins gilt im Alten Testament als Zeichen der Armut und Schande (zum Beispiel Ijob 24,7), der Schutzlosigkeit (zum Beispiel Genesis 3,7-11) und der Bedürftigkeit (zum Beispiel Ijob 1,21). Außerdem werden Menschen als nackt beschrieben, wenn sie in prophetischer Verzückung und Ekstase sind (vergleiche 1 Samuel 19,24). Eher selten weist das Wort »nackt« darauf hin, dass der Mensch überhaupt keine Kleidung trägt. Die Nacktheit wird im biblischen Kontext im Unterschied zur hellenistischen Kultur nicht besonders hochgeschätzt, und sie hat auch keinerlei sexuelle Konnotation. Vielmehr dient sie als Metapher und Zeichen: Sie umschreibt eine Grundbefindlichkeit des Menschen als Geschöpf Gottes. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sie bereits am Anfang der Bibel im Buch Genesis (Gen) in der Urgeschichte erwähnt wird und eine größere Rolle spielt, besonders auch traditionsgeschichtlich. Gerade die Urgeschichte mit den beiden Schöpfungserzählungen und den verschiedenen Verfehlungen des Menschen gibt nicht nur einen Einblick in die Ordnung, die den Menschen und seine Welt eigentlich tragen sollte, sondern auch in die Schädigung der Schöpfung und die Macht des Bösen. Dadurch ermöglicht sie das entscheidende Verständnis des Nacktseins im Alten Testament. Schauen wir uns die Erzählungen in Gen 2 und 3 in Bezug auf das Nacktsein etwas näher an. Im Alten Testament wird an mehreren Stellen davon gesprochen, dass Menschen nackt sind. Aus verschiedenen Gründen wird über ihre Nacktheit erzählt. Das betrifft sowohl die Situationen, in denen sich die Protagonisten befinden, als auch die wörtlichen Begriffe, die im Hebräischen verwendet werden. TEXT: Dr. Johannes Roth ofm | ABBILDUNG: Lucas Cranach der Ältere, Public domain, via Wikimedia Commons 6
Nacktsein in der Schöpfung In der zweiten Schöpfungserzählung (Gen 2,4-25) möchte Gott für den Menschen eine ebenbürtige Hilfe erschaffen. Nachdem die Tiere diese Hilfe nicht sein können, baut Gott aus der Rippe des Menschen eine Frau und führt sie dem Menschen zu, der sie als Hilfe erkennt und annimmt. Zu diesem Zeitpunkt sind der Mensch und seine Frau nackt (Gen 2,25) – sie heißen noch nicht Adam und Eva. Es ist vermutlich so, dass »nackt« (‘ārôm) an dieser Stelle auch »unbekleidet« bedeutet. Dies spielt aber nur eine untergeordnete Rolle, da es nicht die Intention des biblischen Textes ist, hier Assoziationen an unbekleidete Menschen und schon gar nicht an deren geschlechtliche Unschuld zu wecken. Denn es geht hier nicht um die Kulturgeschichte des Menschen, sondern vielmehr um Aussagen über sein Wesen. Es ist bemerkenswert, dass im biblischen Text noch hinzugefügt wird, dass sich beide trotz ihrer Nacktheit nicht voreinander schämen. Der Grund für diese Information zeigt sich in der nachfolgenden Erzählung (Gen 3), die in der Tradition häufig als Erzählung vom Sündenfall bezeichnet wird und die Erbsündenlehre stark beeinflusst hat. Es kommt, wie es kommen muss: Der Mensch und seine Frau verstoßen gegen das (bis dahin einzige) Gebot beziehungsweise Verbot Gottes: »Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn am Tag, da du davon isst, wirst du sterben.« (Gen 2,16-17) Eine Schlange macht die Frau aber auf die köstlichen Früchte aufmerksam. Sie lässt sich von der Schlange überzeugen und isst trotz des Verbots eine Frucht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Danach gibt sie ihrem Mann davon, und auch er isst. Im gleichen Augenblick gehen den beiden die Augen auf und sie erkennen, dass sie nackt sind. Plötzlich scheint es sie zu stören und sie schämen sich, ansonsten würden sie sich wahrscheinlich keine Feigenblätter zu einem Schurz aneinanderheften. Der Autor Johannes Roth, Doktor der Theologie und Diplom-Pädagoge, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Exegese des Alten Testaments an der PhilosophischTheologischen Hochschule Sankt Georgen, Seelsorger und Vize-Kommissar des Heiligen Landes der Deutschen Franziskanerprovinz. Er lebt im Konvent in Düsseldorf. Und dann kommt auch Gott wieder zurück auf die Bühne: Sie hören ihn, wie er im Garten umherläuft. Er ruft nach dem Menschen und fragt ihn, wo er sei. Der Mensch antwortet, dass er sich aus Furcht versteckt habe, weil er nackt sei. Darauf fragt Gott ihn, woher er denn wisse, dass er nackt sei, und verbindet es sofort mit der Frage, ob er das Gebot übertreten habe. Gott zeigt sich in dieser Erzählung als fürsorglicher Gott trotz des Verstoßes des Menschen und seiner Frau gegen das Gebot. Denn er fragt nach dem Menschen und sucht ihn, und am Ende der Erzählung macht er sogar Gewänder aus Fell für sie, damit sie nicht mehr nackt sind. Trotzdem wird er sie dafür auch bestrafen. Unterschiede im Nacktsein Der Inhalt der beiden Erzählungen in Gen 2 und 3 lässt schon erkennen, dass es Unterschiede zwischen dem Nacktsein am Ende von Gen 2 und dem in der Erzählung mit der Schlange in Gen 3 gibt – und zwar nicht nur, weil zwei verschiedene hebräische Wörter verwendet werden: in Gen 2,25 ‘ārôm und in Gen 3,7 ‘êrom. Hinzukommt auf der inhaltlichen Ebene der Aspekt der Scham und die gewonnene Erkenntnis von Gut und Böse durch das Essen der Frucht. Beides hängt auch miteinander zusammen. Durch den Verstoß gegen das Gebot Gottes haben der Mensch und seine Frau eine Distanz zwischen sich und Gott geschaffen. Dies erklärt auch die Frage Gottes an den Menschen. Gott hat mit seinem Gebot dem menschlichen Streben nach Lebensfülle und Erkenntnis von Gut und Böse eine Grenze gesetzt. Den Menschen ist von Gott bereits vieles gegönnt, aber sie sehen nur das Wenige, das ihnen nicht gegönnt ist. Sie wollen alles. Gerade die Erkenntnis von Gut und Böse definiert im Alten Testament den Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen. Der Mensch und seine Frau verlieren hier also ihre kindliche Unschuld, Schamlosigkeit und Naivität. Sie sehen sich nun selbst, wie sie sind, nämlich nackt und entblößt. Dieses Gefühl der Scham lässt sich nicht so einfach vor Gott verdecken, auch nicht mit einem Schurz aus Feigenblättern. Dann schon eher mit den Gewändern, die sie von Gott erhalten. Der Mensch fühlt sich von Gott ertappt und beantwortet die Frage von Gott im Grunde nicht, denn er nennt nicht seinen Aufenthaltsort, sondern das Motiv für seine Tat. Der Mensch und die Frau schämen sich und wollen ihren eigenen Anteil an der Realität nicht zugeben, stattdessen schieben sie ihn immer weiter: der Mensch an die Frau und die Frau an die Schlange. Jeder Mensch ist aber für sein eigenes Tun vor Gott verantwortlich. Es ist nun etwas anders geworden zwischen den Menschen und Gott: Die Furcht ist zwischen sie getreten. Aber nicht nur das – denn statt weise zu werden (‘ārum) und zu erkennen, fühlen sie sich nackt (‘êrom) und entblößt. Der Text spielt mit diesen beiden Bedeutungen, und das Wortspiel in der hebräischen Sprache geht in unserer Übersetzung leider verloren. Die Menschen wollten wie Gott dastehen, können aber nun noch nicht einmal zu sich selbst und ihrem Verhalten stehen, sondern verweisen auf andere und zeigen mit dem Finger auf sie. Damit stellen sie nicht nur die anderen bloß, sondern auch sich selbst. Es lässt sich als Fazit festhalten: Werden in Gen 2 die gelungenen Beziehungen beschrieben, sind es in Gen 3 die gestörten, sowohl zwischen Gott und den Menschen als auch zwischen den Menschen untereinander. Beides gehört zu unserer Realität und unserem Mensch-Sein wie zwei Seiten einer Medaille und sollte deshalb auch zusammen gelesen werden. 7
War es nur eine Ironie des Schicksals oder, etwas frommer gesagt, ein witziger Einfall Gottes? Ausgerechnet der Sohn eines international vernetzten Tuchhändlers, der mit schönen Stoffen und teurer Mode Unmengen Geld verdient, stirbt nackt auf der bloßen Erde. Hat der arme Kerl denn nichts anzuziehen? O doch! Franz von Assisi und die Kleider Von einem, der sich auszog, um das Christsein zu lernen Als Jugendlicher konnte sein Outfit nicht extravagant genug sein, »in seiner Sucht, aufzufallen, war er so eitel, dass er einmal am gleichen Kleid einen überaus teuren Stoff mit einem ganz wertlosen zusammennähen ließ« (Gef 2). Aber er zieht sich scheinbar gerne aus und um. Auf den modischen Fummel des Heranwachsenden folgt der militärische Kampfanzug, an dem er aber nach einem Jahr Kriegsgefangenschaft in einem dunklen Loch in der Nachbarstadt Perugia schnell die Freude verliert. Dann was ganz anderes: Warum nicht einmal ausprobieren, wie sich das Leben anfühlt in den Lumpen eines Obdachlosen? Daheim, wo ihn jeder kennt, ist ihm das anfangs dann doch leicht peinlich, darum übt er diesen Kostümwechsel zunächst während einer Wallfahrt im fernen Rom (Gef 10). Aber es scheint ihm zu gefallen, denn, so sein erster Biograf, »oft zog er seine Kleider aus und tauschte sie mit den Armen« (2C 8). Kleider sind wichtig für ihn, aber sein Herz hängt nicht daran, es schlägt für Menschen: Wenn ihn auf der Straße ein Armer anbettelt und er gerade kein Geld bei sich trägt, überlässt er ihm schon mal »den Hut oder den Ledergürtel« oder auch das Hemd (Gef 8), und einem »armen, halbnackten Ritter« schenkt er die »eigenen, fein angefertigten Gewänder« (2C 5). Noch ist das alles ein bisschen wie ein Spiel – wobei wir wohl selten ernster bei der Sache sind, als wenn wir spielen. Dann aber überschlagen sich die Ereignisse, Franziskus begegnet den Aussätzigen, in der verfallenen Kapelle von San Damiano spricht ihn der gekreuzigte Christus an, es kommt zum Point of no Return: Mitten in Assisi, vor dem Bischof und neugierigen Zuschauern, zieht er sich splitterfasernackt aus und wirft seinem Vater, dem lokalen Textilmogul, die Kleider vor die Füße. Nun ist das Tischtuch endgültig zerschnitten, mit seiner Welt will er nichts mehr zu tun haben, jetzt hat er nur noch den Vater im Himmel. Vertrauen auf Gott Kleider machen Leute. Und wenn einer ohne jegliche Kleidung dasteht, macht das auch etwas mit den Leuten – und mit ihm selbst! Zwar hat der hüllenlose menschliche Körper in der Öffentlichkeit inzwischen viel an Provokation verloren, dennoch aber eignet sich Nacktheit immer noch als öffentlichkeitswirksamer Hingucker bei Protest und Demonstrationen, das nutzen nicht nur die ukrainischen Aktivistinnen von Femen oder Tierschützer, die »lieber nackt als im Pelz« auftreten. Zugleich steht das Nacktsein für die Erfahrung völliger Hilflosigkeit, der nackte Säugling kann nur überleben mit fremder Hilfe. Erzwungenes Nacktsein ist tiefste Erniedrigung, die Bilder aus dem AbuGhuraib-Gefängnis in Bagdad lösten internationale Schockwellen aus. Und doch umweht den nackten Adam die Sehnsucht nach dem paradiesischen Anfang, als noch alles gut war. Der nackte Franziskus vor dem Bischofspalast hat etwas von alledem: Als er sich auszieht, zieht er demonstrativ aus der Welt seines Vaters aus, protestiert gegen ein menschenverachtendes frühkapitalistisches Wirtschaftssystem, verzichtet auf Sicherungen und Privilegien und wagt in seiner Ohnmacht den existenziellen Sprung in das Vertrauen auf Gott. Es ist ein neuer Anfang! Dann gibt es noch die klassische theologische Deutung: »Siehe, jetzt ist es so weit, dass er nackt mit dem Nackten ringt«, schreibt sein erster Biograf (1C 15). Je weniger Kleidung der Kämpfer trägt, umso weniger Angriffsflächen bietet er seinem Gegner. »Nudus nudum Christum sequi«, nackt dem nackten Christus folgen, diese Vorstellung prägt seit dem Kirchenvater Hieronymus asketisches Leben. Wolle statt Seide Auch wenn Franziskus dann nackt stirbt, zwischendurch zieht er wieder etwas an. Ein Freund in Gubbio schenkt ihm »ein ärmliches Kleid« (1C 16). Zunächst trägt er »das Kleid eines Einsiedlers« (Gef 25) und gibt damit zu erkennen, dass er kein herumstreunender Bettler ist, sondern bewusst eine geistliche Lebensentscheidung getroffen hat. Der letzte einschneidende Kleiderwechsel erfolgt, als er in Portiunkula das Evangelium von der Aussendung der Jünger hört: »Allsogleich löst er die Schuhe von den Füßen und, zufrieden mit einem einzigen Rock, vertauscht er den Ledergürtel mit einem Strick. Darauf richtet er sich den Rock in Form des Kreuzes zurecht, damit er in ihm alle teuflischen TEXT: Cornelius Bohl ofm | ABBILDUNG: gemeinfrei / commons. Wikimedia.org 8
Trugbilder abwehre.« Er macht ihn »aus raue- stem Stoff, damit er in ihm alle teuflischen Trugbilder abwehre«, außerdem »recht armselig und schmucklos, auf dass er der Welt in keiner Hinsicht als begehrenswert erscheine« (1C 22). In deutlichem Kontrast zu den schrillfarbigen Textilien seiner Jugend markiert die ungefärbte Wolle, wie sie von den Armen benutzt wird, unübersehbar auch den sozialen Standortwechsel, den die erste Generation der Minderbrüder radikal vollzieht. Dreifache Geburt Der Tuchhändlersohn wird dann zeitlebens eine besondere Sensibilität zeigen für die Botschaft dessen, was wir an unserem Körper tragen – oder eben auch nicht! Beide Regeln legen ausdrücklich eine Kleiderordnung fest (vgl. NbR 2; BR 2). Bis heute ist der Habit Ausdruck einer radikalen Brüderlichkeit, es gibt keinerlei Insignien oder textile Unterschiede für besondere Amtsträger, alle tragen dasselbe Gewand. Der Stoff außen soll zeigen, was das Herz innen bewegt: Die ersten Brüder »waren zufrieden mit einer einzigen Kutte, innen und außen geflickt, samt Strick und Hosen. Und mehr wollten wir nicht haben«, erinnert sich Franziskus im Testament (Test 16f). Das gilt dann auch umgekehrt: »Ich warne und ermahne meine Brüder, jene Leute nicht zu verachten oder zu verurteilen, die sie weiche und farbenfrohe Der Autor Cornelius Bohl ist Franziskaner und leitet das Kloster auf dem Frauenberg in Fulda. Als Sekretär für Mission und Evangelisierung schreibt er unter anderem das Vorwort dieser Zeitschrift. Kleider tragen sehen, sondern vielmehr soll jeder sich selbst verurteilen und verachten« (BR 2). Zur Demonstration solcher Bereitschaft, ehrlich zur eigenen Begrenzung zu stehen, kann dann selbst die armselige Kutte einmal fallen: So lässt sich Franziskus, um sich selbst öffentlich als Schlemmer anzuklagen, von einem Bruder »mit dem Strick, den er um den Hals trug, nackt vor das Volk führen« (Per 80). Ein anderer, der einen Armen geschmäht hatte, muss sich vor diesem nackt auf den Boden werfen und ihn um Verzeihung bitten (Per 114). Man hat von einer dreifachen Geburt bei Franziskus gesprochen: Seine Mutter schenkt ihm das Leben. Mit der Trennung vom Vater beginnt er sein Leben der Buße. Im Tod wird er geboren für das ewige Leben. Jedes Mal ist er nackt. Jedes Mal muss er seine Schutzlosigkeit und Ohnmacht annehmen. Jedes Mal wird ihm ein Durchbruch in ein neues Leben geschenkt. Franziskus und die Kleider: Was auf den ersten Blick wie eine spirituelle Modenschau aussieht, erzählt anschaulich die Geschichte von einem, der sich immer wieder auszog und umzog, um Schritt für Schritt das Christsein zu lernen. Franz gibt seinem Vater die Kleider zurück und verzichtet damit auf seinen Besitz. (Fresko von Giotto di Bondone, um 1295) 9
Als Provinzialminister der Franziskaner in Kolumbien erfüllt es mich mit großer Freude, die jungen Menschen zu sehen, die zu unserer Gemeinschaft stoßen. Jeder von ihnen bringt seine eigene Geschichte und seine Träume mit – ein Spiegelbild des Reichtums unserer Völker in Südamerika. Ordenskleider Wie das Tragen des Habits junge Franziskaner verändert Für manche ist ihre Kultur besonders wichtig. Sie kommen aus Gegenden, in denen die typische Kleidung Geschichten erzählt oder die Art, sich zu kleiden, viel über die eigene Identität verrät. Daher ist es ganz normal, dass sie sich fragen: Wie kann ich mir selbst treu bleiben, mit meinen Wurzeln, und zugleich ein franziskanischer Bruder im Habit sein? Diese Frage ist kein Problem – im Gegenteil: Sie hilft uns, besser zu verstehen, was es heißt, von Gott berufen zu sein. Wir sind nicht alle gleich und jeder lebt das Evangelium mit seinem persönlichen Charisma. Das franziskanische Ordensgewand, der Habit, soll das Geschenk der Individualität nicht auslöschen, sondern unserem Leben eine neue Bedeutung geben. Unsere Inspiration ist Jesus, aber nicht als eine abstrakte Lehre, sondern als geborener, lebendiger Mensch in seiner Kultur. Ebenso lädt die franziskanische Berufung jeden jungen Menschen ein, Christus aus der eigenen Wirklichkeit heraus nachzufolgen. Es ist eine Gelegenheit, zu entdecken, welche Elemente unserer Kultur uns helfen, bessere Brüder für alle zu sein – und welche wir lieber hinter uns lassen, um freier zu werden. Deshalb ist es so wertvoll, unseren jüngeren Ordensbrüdern zuzuhören. Im Folgenden erzählen sie, wie sie den Prozess des »Kleiderwechsels« erleben. In ihren Worten hören wir vielleicht etwas Wehmut über ihre frühere Kleidung, aber auch die Freude, sich in einer neuen Familie mit dem Habit wiederzufinden. Vielleicht zeigen sie uns auch ihre Überraschung darüber, dass Menschen sie anders behandeln. Wir werden sehen, wie der Habit für sie zu einer Erinnerung daran wird, mit mehr Einfachheit und Freude zu leben. Sie gewähren einen Blick in ihre Herzen. Ihre Geschichten zeigen uns, dass es nicht nötig ist, die eigene Identität aufzugeben, um Franziskaner zu sein – sondern dass man sie dadurch vielleicht erst ganz findet. Hören wir, was die jungen Menschen mit uns teilen. TEXT UND INTERVIEWS: Richard Cortés López ofm | FOTOS: Franziskanerprovinz San Pablo Apóstol Richard Cortés López ofm aus Esmeraldas in Ecuador 10
»Spirituelle Verantwortung« Mein Heimatort La Donjuana ist ein Ort wie viele andere in der Region, wo die Kleidung wechselnden Moden folgt oder einfach der Arbeit dient. Es gibt keine typische Tracht, die uns auszeichnet; nur unser besonderer Akzent verrät, woher wir kommen. Inmitten dieser Normalität war mein eigener Stil stets schlicht – mehr aus Bequemlichkeit als aus Modebewusstsein. Ich bevorzuge selbst keinen speziellen Modestil, sondern trage gerne dem Klima entsprechend Jeans und ein leichtes Hemd. Seit ich im Franziskanerorden bin, trage ich erstmals Kleidung, die mich stark definiert: den Habit. Paradoxerweise hat er mich von dem Druck befreit, mich »gut anzuziehen«. Ich denke nicht mehr an Mode oder Kombinationen. Doch diese Schlichtheit hat ihr eigenes Gewicht. Der Habit ist warm, schränkt meine Bewegungen ein und erfordert durch seine Größe ständige Aufmerksamkeit, damit er sich nicht verfängt, reißt oder verschmutzt. Doch vor allem spüre ich eine große spirituelle Verantwortung. Der Habit ist eine ständige Erinnerung daran, dass ich allein durch meine Anwesenheit das Evangelium verkünden soll – so, wie es der heilige Franziskus sagte. In diesem Stück Stoff habe ich ein Zugehörigkeitsgefühl gefunden, das ich an meinem Herkunftsort nie kannte. Natürlich nehmen mich die Menschen anders wahr. Manche schauen verwundert, andere fragen sehr kritisch, ob ich einer besonderen Religion angehöre. Oft höre ich: »Auf Wiedersehen, Pater«, obwohl ich kein Priester bin. Der Habit fällt auf – und schenkt mir auf seltsame Weise Ruhe und Sicherheit, wohin ich auch gehe. Ich erinnere mich an die Freude, als ich ihn zum ersten Mal anprobierte – wie ein Kind mit neuer Kleidung. Mit der Zeit verstand ich seine tiefere Bedeutung. Jenseits von Stoff, Reaktionen, Bequemlichkeit oder Hitze fühle ich, dass mich das Tragen des Habits zu einem neuen Menschen gemacht hat.« »Glücklicher Ausdruck des Lebens« Ich wurde in Cali geboren, einer Stadt, mit der ich mich über Kunst und Salsatanz identifiziere. In Valle de Cauca kommt die Familie zusammen und das Leben wird gefeiert. Es ist ein Mosaik der Kulturen – Afro, Paisa, Pastuso –, und dieser Reichtum zeigt sich auch in der Kleidung. Es gibt keinen einheitlichen Stil, sondern eine große Ausdrucksvielfalt. Meine Welt war immer die der urbanen Mode – ein Stil, der auf Reggae und Rap antwortet und zugleich Ausdrucksform und soziale Kritik ist. Meine Kleidung war mein Manifest: zerrissene Jeans aus Medellín, importierte Sneaker aus den USA, ein Sweatshirt mit dem Bild eines lokalen Künstlers – und fast immer eine Baseball-Cap. So war ich, so sah ich das Leben, im Einklang mit meinen Freunden. Jesús Alexander Laguado ofm aus La Donjuana im Norden der Region Santander 11
Heute trage ich auch den franziskanischen Habit. Aber das bedeutet keinen Abschied von meinem persönlichen Stil. Ich trage ihn zu besonderen liturgischen Anlässen, bei Veranstaltungen der Diözese oder wenn die Arbeit es erfordert. Im Alltag, bei der Hausarbeit, bleibe ich derselbe, in meiner gewohnten Kleidung. Deshalb fällt mir das Tragen des Habits nicht schwer – denn ich habe meine Ausdrucksweise nicht verloren. Wenn ich den Habit trage, spüre ich das Gewicht seiner Geschichte. Für mich steht er für das franziskanische Charisma, das ich angenommen habe, und verbindet mich mit Franziskus von Assisi, der seinen Habit aus Stoffresten nähte. Es ist ein Kleidungsstück mit tiefem Sinn. Mit ihm begegnen mir die Menschen mit einem anderen Respekt. Sie wählen ihre Worte vorsichtiger, aber gleichzeitig öffnen sie sich mit einem Vertrauen, das nach Begleitung sucht. Bei der Arbeit in den ärmeren Vierteln der Stadt wird der Habit zu einem Symbol der Sicherheit und Hoffnung. Obwohl es anfangs ungewohnt war, den Habit zu tragen, ist es mit der Zeit zu einer Freude geworden – zum glücklichen Ausdruck des Lebens, das ich gewählt habe. »Teil meines Selbst« Ich komme aus einem Land der indigenen Gemeinschaften, doch ich identifiziere mich als Guajiro und bewahre mit Sorgfalt meine Wayuu-Traditionen und -Glaubensvorstellungen. Für uns ist Kleidung etwas Heiliges – sie ist die Verteidigung unseres Erbes und eine Art, unseren Gott zu ehren. Die Frauen tragen ihre ›mantas guajiras‹, wir Männer unsere ›waireñas‹ und Hüte. Es ist kein Kostüm für Feste, sondern unsere tägliche Haut – die Kleidung der Bauern und Fischer. Mein persönlicher Stil ist keine Modeerscheinung, sondern das Wesen des Guajiro-Seins. Wenn man mich fragt, ob es schwierig ist, den Habit zu tragen und sich nicht mehr durch Kleidung ausdrücken zu können, lautet meine Antwort: nein. Meine Identität ist nicht verschwunden. Zu diesem franziskanischen Stoff trage ich immer noch meine ›waireñas‹ (bunte Stoffschuhe) und damit mein guajirisches Wesen. Ich habe gelernt, den Habit zu einem Teil meines Selbst zu machen – als ein weiteres Profil, das mich definiert. Ihn zu tragen ist weniger ein Gefühl als vielmehr die Verantwortung. Manchmal begegnen mir die Menschen mit einer gewissen Distanz, mit Ehrfurcht, die mich abgrenzt. Dann bitte ich sie, das nicht zu tun – und erinnere sie daran, dass der heilige Franziskus uns alle zu Brüdern gemacht hat und dass sie mich als ihresgleichen behandeln sollen. Ich bin glücklich, wenn ich den Habit trage. Glücklich und zugleich durch das Gewicht einer großen Verantwortung geprägt, besonders heute, da man kaum noch Ordensleute im Habit sieht. Es ist mir eine Ehre, dieses Kleidungsstück, das meinen Glauben repräsentiert, sichtbar zu halten, ohne je die Kultur zu verstecken, die mir das Leben geschenkt hat.« Johan Alexander Quebrada Diaz ofm aus Santiago de Cali in der Region Valle del Cauca Rafael Fernando López Vanegas ofm aus Dibulla in der Region La Guajira 12
Der Herausgeber dieser vier Lebenszeugnisse Richard Cortés López stammt aus Esmeraldas in Ecuador. Er ist Provinzialminister der Franziskanerprovinz San Pablo Apóstol in Kolumbien und hat für diesen Artikel junge Ordensbrüder über ihre Erfahrungen mit dem Ordensgewand befragt. Übersetzung aus dem Spanischen: Pia Wohlgemuth »Unübersehbare Sichtbarkeit« Für mich war die erste Erfahrung mit dem Habit wirklich überwältigend. Tatsächlich war es eine meiner größten Motivationen für diesen Weg. Das Ordensgewand war die greifbare Verwirklichung eines Versprechens, ein sichtbares, kraftvolles Sym- bol des Lebens, das ich gewählt hatte. Doch dieser Idealismus prallte bald auf die raue Wirklichkeit des Alltags. Ich erinnere mich ganz genau an einen Moment, als ich ihn zwei Tage lang in Cartago trug. Als ich in den Bus stieg – ein so alltäglicher, öffentlicher Raum –, spürte ich, wie sich die Atmosphäre um mich herum veränderte. Plötzlich war ich kein Mensch unter vielen mehr; ich war zur Attraktion geworden. Die Blicke der anderen Fahrgäste klebten an mir – manche neugierig, andere deutlich irritiert oder sogar misstrauisch. Aus den Gesprächen der Menschen hörte ich Sätze wie: »Schau mal, dieser junge Pater.« Ein Mann sprach mich sogar direkt an, mit einer Frage, die mich sehr verstörte: »Entschuldigen Sie, junger Mann, sind Sie Araber?« Da wurde mir klar: Für viele ist der Habit kein Symbol meines Glaubens, sondern ein exotisches, fremdes, missverstandenes Kleidungsstück. Das Gefühl war überwältigend. Ich hörte auf, einfach ich zu sein – und wurde zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ich fühlte einen ständigen Druck, als würde jede meiner Bewegungen beobachtet und bewertet. Diese Dauerbeobachtung ermüdete mich und machte mich verletzlich. Ehrlich gesagt, war diese Erfahrung sehr entmutigend. Der anfängliche Stolz und die Freude verwandelten sich in Zurückhaltung und Scheu. Ich beschloss, ihn nicht mehr so häufig zu tragen. Eine Zeit lang reservierte ich ihn für besondere Feiern oder für Umgebungen, in denen die Menschen seine Bedeutung besser verstehen – sichere Räume, in denen der Habit das sein darf, was er ist, und kein Anlass für ständige Fragen. Außerhalb dieser Momente kehre ich zu meinem alltäglichen Stil zurück: jung, urban – bequeme Turnschuhe, Jeans und meist übergroß geschnittene Hemden. Das ist die Kleidung, in der ich mich als mich selbst fühle, in der ich untertauchen und einfach nur einer von vielen sein kann – ein völliger Kontrast zur unübersehbaren Sichtbarkeit und dem symbolischen Gewicht, das das Tragen des Habits mit sich bringt.« Eider Alejandro Villada ofm aus Puerto Asís in der Region Putumayo 13
Es gibt Begriffe, die irgendwann aus dem Sprachgebrauch verschwinden. Das Wort »auftragen« ist ein solcher Begriff. Und er stellt ein sogenanntes Teekesselchen dar. Sie erinnern sich vielleicht an das Spiel Ihrer Kindheit: Wenn man Teekesselchen spielte, musste man Begriffe suchen, die zwei Bedeutungen hatten. Fast Fashion Kleidung als Wegwerfprodukt »Auftragen« bedeutet zum einen, Speisen auf den gedeckten Tisch zu stellen, und zum anderen, dass man Kleidung so lange trägt, bis sie fadenscheinig wird, man also durch den Stoff blicken kann oder aber er zerreißt oder zerfällt. In meiner kinderreichen Familie war das unter uns Kindern sehr verhasst: Man musste die Kleidung der älteren Geschwister auftragen, und wenn es sich dabei um die unbeliebten kurzen Lederhosen mit Hirschgeweihapplikation aus Hirschhorn an den Hosenträgern handelte, wanderte die Hose vom ersten Bruder bis zu mir, dem vierten Bruder, weil diese Kleidungsstücke auch bei heftigstem Gebrauch unverwüstlich waren. Gäbe es die Tradition dieses Auftragens noch, würden diese Hosen vermutlich auch von meinen künftigen Enkel- und Urenkelkindern getragen. Wegwerfprodukte Die Handhabung von Bekleidung heute ist eine vollkommen andere. Hemden, T-Shirts, Hosen oder Socken sind so billig, dass sie zu Wegwerfprodukten geworden sind. Man spricht von Fast Fashion: Eine heutige Großmutter wird wohl kaum im Schaukelstuhl mit heißem Tee sitzen und mit einem Nähpilz (noch so ein verschwundenes Wort) die weißen Sneakersocken der Enkelin stopfen. Und wenn, wäre es der Enkelin vermutlich zu peinlich, diese dann auch zu tragen. Der Weg zu Primark oder ins Netz zu Zalando, wo es die Socken für Centbeträge im Sechserpack gibt, ist einfacher und schneller. Doch zu welchem Preis? Der Bekleidungsmarkt ist inzwischen global. Was wir am Körper tragen, hat in der Regel schon Weltreisen hinter sich, bevor man es in der Ankleidekabine bei C&A kritisch prüft: Die Baumwolle aus Kasachstan oder Indien wird in der Türkei zu Garn gesponnen, das in Tunesien eingefärbt wird, um in Polen zu Stoff gewebt zu werden. Dieser wird dann in China, Bangladesch, Vietnam oder auf den Philippinen von Billiglohnkräften zusammengenäht, in Griechenland oder Frankreich endbehandelt und anschließend in ganz Europa an die Endverbraucherinnen und -verbraucher verkauft. Und wenn das Produkt dann nicht mehr gefällt, landet es in Altkleidercontainern, deren Inhalt nach Afrika verschifft wird, um dort auf wilden Müllhalden zu landen oder, wenn noch brauchbar, auf Märkten verkauft zu werden, die den lokalen Bekleidungsmarkt ruinieren. TEXT: Prof. Dr. Thomas M. Schimmel | FOTOS: Rehman Asad/stock.adobe.com; triocean; Animaflora PicsStock/stock.adobe.com 14
Mensch und Umwelt Macht man sich bewusst, was dieser Weg bedeutet, denkt man mit Sehnsucht an den selbstgestrickten Wollpullover aus gesponnener Wolle der ostfriesischen Schafe, den man einst von der besten Freundin geschenkt bekommen hat: Der Transport der Produktkomponenten an die verschiedenen Produktionsstandorte in heutiger Zeit verursacht nicht nur hohe Kosten, sondern auch einen enormen CO2-Ausstoß. Rund zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes geht auf die energieintensive Textilindustrie zurück. Davon entfällt ein großer Teil auf den Transport mit Flugzeugen und Containerschiffen. Die Textilindustrie ist damit einer der größten Emittenten der Welt. Neben dem CO2-Ausstoß gibt es aber auch weitere Umweltprobleme, wie die Verschmutzung von Flüssen, Seen oder Grundwasser durch Chemikalien und Sonderabfällen, die bei der Produktion vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern anfallen. Dass die Produkte der Bekleidungsindustrie bei uns so günstig sind, hat auch damit zu tun, dass es in den Produktions- und Weiterverarbeitungsländern nur geringe oder gar keine Umweltstandards gibt. Neben den geringen Kosten für Umwelt- und Naturschutz nutzen die meisten europäischen oder USamerikanischen Bekleidungskonzerne aber auch die billigen Arbeitskräfte, oft Frauen und Kinder, in Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder Kambodscha: Niedrige Löhne, kaum oder gar keine soziale Sicherung, Arbeitsschutz oder gewerkschaftliche Mitbestimmung führen zu Arbeitsverhältnissen, die der Sklaverei gleichen und immer wieder auch zu Menschenrechtsverletzungen führen. Zwischen 60 und 100 Euro verdienen Arbeiterinnen und Arbeiter beispielsweise in Bangladesch im Monat bei einer Arbeitsbelastung von bis zu 14 Stunden am Tag. Umgerechnet entfällt ein Prozent der Produktionskosten einer Jeans auf die Lohnkosten der Näher und Näherinnen. Auch bei geringen Lebenshaltungskosten in den Ländern des globalen Südens reichen die Löhne in der Textilindustrie oftmals nur knapp zum Überleben, worunter vor allem die Frauen und Kinder leiden. Die Billiglöhne tragen aber dauerhaft dazu bei, dass wir in Europa Kleidung wegwerfen und neu kaufen können, die uns nach kurzer Zeit nicht mehr gefällt. Mode und Lieferketten Beobachtet man die Entwicklung in deutschen Innenstädten oder Einkaufzentren, wird klar, dass der Bekleidungs- markt unter hohem Druck steht. Geschäfte verschwinden aus dem Stadtbild, neue entstehen, häufig Billiganbieter wie Primark oder KiK. Kleidung soll möglichst günstig sein. Modetrends wechseln wie die Jahreszeiten. Ob Verbraucherinnen und Verbraucher immer neue Kleidung wollen, weil das Angebot ständig wechselt, oder ob das Angebot ständig wechselt, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher es wollen, sei dahingestellt. Vieles landet auf dem Müll, bevor es verkauft und getragen wurde. Geschäfte wie Zara, H&M oder C&A kämpfen mit günstigen Preisen um Marktanteile und oft sogar ums Überleben. Ein Versuch, die Produktionsbedingungen transparent zu machen, sind die sogenannten Lieferkettengesetze, Der Autor Thomas M. Schimmel war fast 20 Jahre für den Franziskanerorden tätig und lehrt heute Politikwissenschaft an der Hochschule Meißen. die die Bundesregierung oder die Europäische Union verabschiedet haben. Sie sollen den Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen zu erkennen, welche Produkte unter fairen, ökologischen und menschenrechtskonformen Bedingungen hergestellt wurden und ihnen somit Argumente für oder gegen den Kauf eines Produktes an die Hand geben. Auch wenn Teile der Textilindustrie diese Gesetze für Bürokratiemonster oder ungerechte Gängelung ihres marktwirtschaftlichen Engagements kritisieren, sind sie doch hilfreich, Bewusstsein zu schaffen. Was tun? Denn eines sollte uns klar sein: Wenn wir Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin nur die günstigen Pro- dukte kaufen, Kleidung als Wegwerfartikel und Ramsch ansehen und jede Mode mitmachen, wird sich bei den unfairen und umweltzerstörenden Produktionsbedingungen nichts ändern. Initiativen wie die »Kampagne für saubere Kleidung« (https://sauberekleidung.de/) helfen bei der eigenen Kaufentscheidung und erhöhen den politischen Druck auf Unternehmen wie Adidas, Hugo Boss, sOliver, Primark oder Shein, sich endlich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und faire Preise einzusetzen. 15
Seit vielen Jahren präsentieren Schülerinnen und Schüler der Pater-Vjeko-Berufsschule in Kivumu bei Modeschauen der Öffentlichkeit stolz ihre selbst entworfenen und gestalteten Kleider. Dabei werden sie durch den ruandischen Staat unterstützt, der das Modegeschäft und lokale Talente fördert, die zunehmend internationale Anerkennung finden. Modedesign in Ruanda Kreativität in der Pater-Vjeko-Berufsschule Kleidung spiegelt nicht nur bestehende kulturelle Werte wider, sie beeinflusst außerdem wirkungsvoll die jeweilige Kultur eines Landes oder einer Region. Kleidung ist mehr als nur Bekleidung des Körpers: Sie trägt als einflussreiche kulturelle Kunstarbeit auch dazu bei, Gesellschaften zu verändern und zu prägen. Kleidung und Kultur beeinflussen sich gegenseitig, indem Menschen sich selbst und ihre kulturelle Identität darstellen. Kleidung ist sowohl Produkt der Kultur als auch ein Weg, Kultur darzustellen und weiterzuentwickeln. Idee zur Modeschau Die Idee, Modeschauen in unserer Schule zu veranstalten, kam von einer kanadischen Modedesignerin, die regelmäßig unsere Schule besucht und gut mit einem unserer Modedesign-Lehrer zusammenarbeitet. Materialien und Stoffe werden aufgrund begrenzter lokaler Produkte hauptsächlich aus einigen Ländern Ostafrikas und darüber hinaus importiert. Vorbereitung und Zusammenstellung einer Kollektion dauern bis zur Präsentation in einer Schau stets sechs bis zwölf Monate. Bei dieser Aktion sind hauptsächlich SchüleTEXT: Joseph Nzirorera | FOTOS: Augustinus Diekmann ofm rinnen und Schüler der Schneiderkurse aktiv beteiligt. Aufgrund des spezialisierten Lehrplans und ihrer eigenen Fähigkeiten haben die jungen Menschen gelernt, selbstständig Kollektionen zu entwickeln und zusammenzustellen. Ziel jeder Schau ist es, die Kreativität junger Talente zu fördern und ihr Können durch Studium und Innovation zu erweitern, sodass sie später im Berufsleben erfolgreich Ausstellungen planen und durchführen können. Unsere Schule möchte Einfallsreichtum sowie technischen und beruflichen Fortschritt der Auszubildenden fördern, die eine Karriere im Modedesign anstreben. Dabei bietet die Präsentation von Kleidermode konkrete Erfahrungen und außerdem Möglichkeiten, zusätzlich die außerschulische Gemeinschaft einzubinden. Attraktive Veranstaltung Familien schätzen unsere Modeschauen, denn sie helfen ihren Kindern, praktische Fähigkeiten und Selbstvertrauen aufzubauen, um zukünftige Berufsziele oder die Zulassung zur Hoch- schule zu erreichen. Die Teilnahme an öffentlichen Modeschauen ermöglicht Familien, Erfolge und Fähigkeiten ihrer Töchter und Söhne zu würdigen und zu feiern. Die Aktion bezieht ferner die breitere Öffentlichkeit ein durch weitere Angebote wie Kleidertausch oder Kleiderpräsentation örtlicher Schneiderinnen und Schneider. Alle Aktivitäten machen die kulturellen und sozialen Auswirkungen von Mode bewusst und dienen oft wohltätigen oder pädagogischen Zwecken. Dadurch werden Ansehen und Ausstrahlung der Schule verbessert. Das Projekt versteht sich Kleiderentwurf für die Modeschau in der Pater-Vjeko-Berufsschule
Der Autor Joseph Nzirorera leitet die Abteilung »Mode und Design« an der Pater-Vjeko-Berufsschule in Kivumu, Ruanda. Er war selbst Schüler dort und hat während der letzten 22 Jahre die Weiterentwicklung der Schule mitgestaltet. Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm noch kein regelmäßiges Einkommen. Aus diesem Grund können sie ihre Fähigkeiten und Talente auch nicht in Bildung oder Projekte wie Modedesign investieren. Zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation sind nachhaltige einkommensschaffende Tätigkeiten nach wie vor das A und O. Kleidung ist weit mehr als nur Stoff zur Körperbedeckung. Kleidung gestaltet wirksam Kultur, indem sie Selbstausdruck und Kommunikation ohne Worte ermöglicht. Sie fördert zudem ein Gefühl der Zugehörigkeit und Identität innerhalb von Gemeinschaften und Kulturen. Über Mode zeigen Menschen ihre Vergangenheit und Gegenwart und verbinden Tradition mit Moderne, um kulturelle Geschichten in einer vernetzten Welt lebendig Schülerinnen und Schüler schneiden im Unterricht die Kleidung für die Modeschau zu. Am Tag der Modeschau zeigen die Schülerinnen und Schüler stolz ihre selbst entworfenen Kreationen. zu halten. Generell zeigen Mode und Kleidung, wer wir sind, woher wir kommen und was wir schätzen. Und sie verleiht vielen von uns Kraft und Würde. als dynamische und gemeinschaftsbildende Initiative, die künstlerische und technische Talente der Schülerinnen und Schüler fördert und darüber hinaus die Pater-Vjeko-Berufsschule durch Kreativität und soziales Engagement einer größeren Öffentlichkeit vorstellt. Kraft und Würde In Kivumu stehen zahlreiche Familien mit niedrigem oder unregelmäßigem Einkommen vor vielfältigen ernsten Herausforderungen – wie dem beschränkten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Oft haben sie keinen Zugang zu sauberem Wasser, zur Gesundheitsversorgung und Bildung. Etlichen Dorfschulen fehlen wichtige zeitgemäße Hygieneeinrichtungen. Die Menschen sind durch wirtschaftliche Unsicherheit und Armut herausgefordert. Viele Familien leben von der Landwirtschaft für den Eigenbedarf oder sind abhängig von der Arbeit auf Kaffee- und Bananenplantagen. Ihr Einkommen reicht oft kaum zum Überleben. Sie haben vielfach nur geringe oder gar keine Ersparnisse für Notfälle. Vor weiteren enormen Herausforderungen stehen besonders Frauen und Mütter: Sie müssen häufig Hausarbeit, Kinderbetreuung, eigene Land- wirtschaft und bezahlte Arbeit unter einen Hut bringen. Obwohl die Armutsrate im Land gesunken ist, haben zahlreiche Familien in der Region immer 16 | 17
Kulturen machen Kleider
Es ist nicht einfach, die Situation der Bevölkerung im Osten der Demokratischen Republik Kongo zu beschreiben. Die Menschen leben seit fast 30 Jahren inmitten eines Krieges und werden ihrem traurigen Schicksal überlassen. Es scheint, als liege ein Reich des Schweigens über dem Leid der Bevölkerung. 30 Jahre Krieg, in denen Unschuldige für einen Kampf sterben, von dem sie nichts wissen – nur weil in ihrem Land wertvolle Mineralien vorhanden sind. Nahtstelle zur Zukunft Nähkurse in der Demokratischen Republik Kongo In der aktuellen Lage haben viele Menschen hier weder Unterkunft noch Nahrung oder ausreichend Kleidung. Bald haben die Krankenhäuser keine Medikamente mehr, da sie sich nicht mehr versorgen können, weil die Banken nicht mehr wie früher funktionieren. Es fehlt den Menschen alles, was zum Leben notwendig ist. Und die gesamte »internationale Gemeinschaft« verschließt die Augen davor. Es wird über Friedensabkommen gesprochen, doch sichtbare Ergebnisse bleiben aus. Praktische Hilfe In dieser Situation völliger Mittellosigkeit versuchen wir, die Kongregation der Franziskanerinnen von Christkönig, mit unserem Apostolat vor allem den vielen betroffenen Mädchen hier ein wenig Hoffnung zu schenken. Es gibt viele Hilfebedürftige, doch wir sind nicht in der Lage, alle Mädchen aufzunehmen. Wir würden gerne mehr tun, wissen aber aufgrund der sehr begrenzten Mittel nicht, wie. Wir sind leider nicht in der Lage, Mädchen, die Opfer von Krieg oder Gewalt jeglicher Art geworden sind, angemessen zu begleiten, da dies sehr anspruchsvoll und komplex ist: Es bedarf einer psychologischen, teilweise psychosomatischen Unterstützung, für die uns sowohl geeignete Räumlichkeiten als auch qualifiziertes Fachpersonal fehlen. Aber wir leisten praktische Hilfe: Wir betreuen Mädchen ohne Schulabschluss und bringen ihnen das Nähen bei – ein kleiner Beruf, der ihnen helfen kann, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Unter den Mädchen sind auch viele Waisen, die einen oder beide Elternteile verloren haben. Unsere Nähaktivität richtet sich auch auf liturgische Gewänder für Priester, Pfarreien und religiöse Gemeinschaften, die solche benötigen. Die Ausbildung eröffnet den jun- gen Frauen eine kleine Beschäftigungsmöglichkeit – ich wage nicht, von Arbeits- plätzen zu sprechen, aber sie ermöglicht ihnen eine Integration in die Ge- sellschaft. Sie fühlen sich wertgeschätzt, wenn sie etwas selbst herstellen können. Viele machen schnell große Fortschritte und gründen sogar eigene Nähwerkstätten für Kinder, Frauen oder Männer. Für die Gemeinschaft Neben den Nähkursen betreiben wir eine Schule. Derzeit lernen bei uns 64 Schülerinnen und Schüler, die wir nach dem nationalen Lehrplan unterrichten. Sie können pro Schuljahr zwei Klassen abschließen. Zudem bilden wir 32 Mädchen im Bereich Schneidern und Nähen aus. Wie in allen Grundschulen der Demokratischen Republik Kongo müssen Lehrerinnen und Lehrer über einen Sekundarschulabschluss und eine Ausbildung an einem Lehrerseminar oder einer Pädagogischen Hochschule verfügen, die durch eine nationale Prüfung mit staatlichem Diplom anerkannt wird. Unser Lehrpersonal hat diese Qualifikation, insbesondere im Bereich Schneidern und Nähen. In dieses Programm integrieren wir auch eine Koch-Ausbildung. Wir halten es für wichtig, dass die Mädchen kochen lernen, da dies ihre Chancen auf eine Anstellung in Restaurants verbessert und sie auch auf die Aufgaben einer Frau in der eigenen Familie vorbereitet, falls sie eine gründen sollten. Wie an allen Schulen gibt es auch bei uns Mädchen, die leider aus Entmutigung aufgeben. Für viele ist es schwierig, jeden Morgen und Abend, und manchmal hungrig, den langen Weg zur Schule zu gehen oder auch die Fahrtkosten aufzubringen. Viele habe kein Zuhause oder keine andere Unterkunft. Und es gibt niemanden, der ihnen den Rücken stärkt. Die Erwartungen dieser Mädchen bestehen nicht darin, außergewöhnliche akademische Abschlüsse zu erlangen. Es geht ihnen vielmehr darum, sich sozial zu integrieren und eine Beschäftigung zu finden, durch die sie sich in ihrer Gesellschaft nützlich machen können. Generell schließen sich diejenigen, die im selben Stadtviertel wohnen, nach der Ausbildung zusammen, um eine Werkstatt in Form einer Genossenschaft zu gründen. Wir unterstützen diese Initiativen. Kein Mensch auf dieser Welt hat es verdient, Leid, Missbrauch und Hunger zu erleben. Dieser Bericht zeigt einen kleinen Ausschnitt der Realität der kongolesischen Frauen in Bukavú, die noch viele Jahre benötigt, um sich nachhaltig zu ändern. TEXT UND FOTOS: Romana Baković ofs Die Autorin Romana Baković ist kroatische Franziskanerin und Mitglied der Franziskanerinnen von Christkönig. In Bukavú (Demokratische Republik Kongo) leitet sie ein Schulungszentrum ihrer Kongregation, das jungen Frauen, die vom Bürgerkrieg und den anhaltenden Konflikten traumatisiert sind, Begleitung und Ausbildung bietet. Dieser Beitrag wurde aus dem Französischen übersetzt von dem Onlinedienst für maschinelle Übersetzung »DeepL«. Die redaktionelle Bearbeitung und das Lektorat wurden von unseren Mitarbeitenden geleistet. 20 | 21
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