Franziskaner Mission 3 | 2025

Etwa 65 Kinder und Jugendliche aller Altersklassen werden hier umsorgt. Neben der klassischen Kinderbetreuung gibt es Hausaufgabenhilfe und ein einfaches und gesundes Essen. Die Familien der Kinder stammen meist aus dem Hochland Boliviens, vor allem aus der Gegend von Potosí und dem entlegenen Umland von Cochabamba. Viele dieser Familien sind in die Stadt gezogen, um bessere Lebensbedingungen zu finden. Doch obwohl sie ihre Dörfer zurücklassen mussten, tragen sie ihre heimischen Wurzeln tief in sich. Früher lebten diese Familien von der Landwirtschaft. Sie ernährten sich von den Erträgen fruchtbarer Felder, von Kartoffeln, Bohnen und Weizen. Den Überschuss brachten sie in die Stadt, um ihn zu verkaufen und ein kleines Einkommen zu erwirtschaften. Durch die Klimaveränderung wurde das sowieso schon harte Landleben noch härter. Vor allem junge Familien haben heute andere Lebensträume, als eine ertragsarme Landwirtschaft im kargen Hochland in entlegenen Dörfern zu betreiben. So suchten sie ihr Glück in der Stadt – mit allen Herausforderungen, die dieser Neuanfang mit sich bringt. Traditionen im Hort Im Laufe der Jahre haben wir festgestellt, dass diese Familien zwar ihre Dörfer verlassen haben, jedoch nicht ihre Identität. Die Mütter und Väter geben ihre Kultur und ihre Identität an die Kinder weiter. Der Unterschied ist lediglich, dass sie in der Stadt in einem anderen Umfeld leben als früher auf dem Land. Außerdem kehren heute viele Familien immer noch während der Aussaat- und Erntezeiten von Feldfrüchten in ihre Heimatdörfer zu ihren Verwandten zurück. Auch zu den Festen in ihren Dörfern, die für sie von großer Bedeutung sind, fahren sie heim. Ihre Kultur und Identität zeigen viele zum Beispiel in ihrer Kleidung: Die Frauen, meist quechua-stämmiger Herkunft, tragen stolz ihre bunten Polleras, die traditionellen Röcke. Für sie ist die Pollera mehr als ein Kleidungsstück – sie ist ein Ausdruck ihres Selbstbewusstseins, ein sichtbares Zeichen von Herkunft und Würde. Die Frauen bezeichnen sich als »Cholita«, also eine Quechua, die die traditionelle Kleidung und Kultur pflegt. Diese Liebe zur Tradition geben sie an ihre Töchter weiter, die sich ebenfalls mit Freude in der Tracht kleiden – ob bei Festen, in der Schule oder zu besonderen Anlässen. Im Hort Hilando Sueños organisieren wir Feste, bei denen wir die Bräuche und kulturellen Gewohnheiten und natürlich auch traditionelle bolivianische Tänze einbeziehen. Auf diese Weise wird unsere kulturelle Identität weitergegeben und gestärkt. Für die Mädchen und Jungen ist das ein großes Vergnügen. Diese Tänze werden nicht nur farbenfroh gestaltet und sind voller Rhythmus – sie sind auch ein lebendiger Ausdruck der Geschichte der bolivianischen Indigenen und geben den Menschen ein Gefühl von Zugehörigkeit. Besonders die Mädchen tragen dabei stolz ihre Polleras, die für sie ein Symbol ihrer Identität und Schönheit sind. TEXT UND FOTOS: Delina Calani Velasquez Am Rande der Großstadt Cochabamba, im Hochland Boliviens, in einem ärmlichen Stadtviertel sieht man ein großes Tor mit der leuchtenden Aufschrift »Hilando Sueños« (»Träume spinnen«). Man hört Kinderstimmen und fröhliches Lachen. Der Kinderhort, der sich hier befindet, arbeitet schon seit Jahren erfolgreich unter franziskanischer Schirmherrschaft. Identität in Bolivien Eigene Bräuche lebendig halten 26 | 27

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