»Spirituelle Verantwortung« Mein Heimatort La Donjuana ist ein Ort wie viele andere in der Region, wo die Kleidung wechselnden Moden folgt oder einfach der Arbeit dient. Es gibt keine typische Tracht, die uns auszeichnet; nur unser besonderer Akzent verrät, woher wir kommen. Inmitten dieser Normalität war mein eigener Stil stets schlicht – mehr aus Bequemlichkeit als aus Modebewusstsein. Ich bevorzuge selbst keinen speziellen Modestil, sondern trage gerne dem Klima entsprechend Jeans und ein leichtes Hemd. Seit ich im Franziskanerorden bin, trage ich erstmals Kleidung, die mich stark definiert: den Habit. Paradoxerweise hat er mich von dem Druck befreit, mich »gut anzuziehen«. Ich denke nicht mehr an Mode oder Kombinationen. Doch diese Schlichtheit hat ihr eigenes Gewicht. Der Habit ist warm, schränkt meine Bewegungen ein und erfordert durch seine Größe ständige Aufmerksamkeit, damit er sich nicht verfängt, reißt oder verschmutzt. Doch vor allem spüre ich eine große spirituelle Verantwortung. Der Habit ist eine ständige Erinnerung daran, dass ich allein durch meine Anwesenheit das Evangelium verkünden soll – so, wie es der heilige Franziskus sagte. In diesem Stück Stoff habe ich ein Zugehörigkeitsgefühl gefunden, das ich an meinem Herkunftsort nie kannte. Natürlich nehmen mich die Menschen anders wahr. Manche schauen verwundert, andere fragen sehr kritisch, ob ich einer besonderen Religion angehöre. Oft höre ich: »Auf Wiedersehen, Pater«, obwohl ich kein Priester bin. Der Habit fällt auf – und schenkt mir auf seltsame Weise Ruhe und Sicherheit, wohin ich auch gehe. Ich erinnere mich an die Freude, als ich ihn zum ersten Mal anprobierte – wie ein Kind mit neuer Kleidung. Mit der Zeit verstand ich seine tiefere Bedeutung. Jenseits von Stoff, Reaktionen, Bequemlichkeit oder Hitze fühle ich, dass mich das Tragen des Habits zu einem neuen Menschen gemacht hat.« »Glücklicher Ausdruck des Lebens« Ich wurde in Cali geboren, einer Stadt, mit der ich mich über Kunst und Salsatanz identifiziere. In Valle de Cauca kommt die Familie zusammen und das Leben wird gefeiert. Es ist ein Mosaik der Kulturen – Afro, Paisa, Pastuso –, und dieser Reichtum zeigt sich auch in der Kleidung. Es gibt keinen einheitlichen Stil, sondern eine große Ausdrucksvielfalt. Meine Welt war immer die der urbanen Mode – ein Stil, der auf Reggae und Rap antwortet und zugleich Ausdrucksform und soziale Kritik ist. Meine Kleidung war mein Manifest: zerrissene Jeans aus Medellín, importierte Sneaker aus den USA, ein Sweatshirt mit dem Bild eines lokalen Künstlers – und fast immer eine Baseball-Cap. So war ich, so sah ich das Leben, im Einklang mit meinen Freunden. Jesús Alexander Laguado ofm aus La Donjuana im Norden der Region Santander 11
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