Franziskaner Mission 3 | 2025

Es gibt Begriffe, die irgendwann aus dem Sprachgebrauch verschwinden. Das Wort »auftragen« ist ein solcher Begriff. Und er stellt ein sogenanntes Teekesselchen dar. Sie erinnern sich vielleicht an das Spiel Ihrer Kindheit: Wenn man Teekesselchen spielte, musste man Begriffe suchen, die zwei Bedeutungen hatten. Fast Fashion Kleidung als Wegwerfprodukt »Auftragen« bedeutet zum einen, Speisen auf den gedeckten Tisch zu stellen, und zum anderen, dass man Kleidung so lange trägt, bis sie fadenscheinig wird, man also durch den Stoff blicken kann oder aber er zerreißt oder zerfällt. In meiner kinderreichen Familie war das unter uns Kindern sehr verhasst: Man musste die Kleidung der älteren Geschwister auftragen, und wenn es sich dabei um die unbeliebten kurzen Lederhosen mit Hirschgeweihapplikation aus Hirschhorn an den Hosenträgern handelte, wanderte die Hose vom ersten Bruder bis zu mir, dem vierten Bruder, weil diese Kleidungsstücke auch bei heftigstem Gebrauch unverwüstlich waren. Gäbe es die Tradition dieses Auftragens noch, würden diese Hosen vermutlich auch von meinen künftigen Enkel- und Urenkelkindern getragen. Wegwerfprodukte Die Handhabung von Bekleidung heute ist eine vollkommen andere. Hemden, T-Shirts, Hosen oder Socken sind so billig, dass sie zu Wegwerfprodukten geworden sind. Man spricht von Fast Fashion: Eine heutige Großmutter wird wohl kaum im Schaukelstuhl mit heißem Tee sitzen und mit einem Nähpilz (noch so ein verschwundenes Wort) die weißen Sneakersocken der Enkelin stopfen. Und wenn, wäre es der Enkelin vermutlich zu peinlich, diese dann auch zu tragen. Der Weg zu Primark oder ins Netz zu Zalando, wo es die Socken für Centbeträge im Sechserpack gibt, ist einfacher und schneller. Doch zu welchem Preis? Der Bekleidungsmarkt ist inzwischen global. Was wir am Körper tragen, hat in der Regel schon Weltreisen hinter sich, bevor man es in der Ankleidekabine bei C&A kritisch prüft: Die Baumwolle aus Kasachstan oder Indien wird in der Türkei zu Garn gesponnen, das in Tunesien eingefärbt wird, um in Polen zu Stoff gewebt zu werden. Dieser wird dann in China, Bangladesch, Vietnam oder auf den Philippinen von Billiglohnkräften zusammengenäht, in Griechenland oder Frankreich endbehandelt und anschließend in ganz Europa an die Endverbraucherinnen und -verbraucher verkauft. Und wenn das Produkt dann nicht mehr gefällt, landet es in Altkleidercontainern, deren Inhalt nach Afrika verschifft wird, um dort auf wilden Müllhalden zu landen oder, wenn noch brauchbar, auf Märkten verkauft zu werden, die den lokalen Bekleidungsmarkt ruinieren. TEXT: Prof. Dr. Thomas M. Schimmel | FOTOS: Rehman Asad/stock.adobe.com; triocean; Animaflora PicsStock/stock.adobe.com 14

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