Mensch und Umwelt Macht man sich bewusst, was dieser Weg bedeutet, denkt man mit Sehnsucht an den selbstgestrickten Wollpullover aus gesponnener Wolle der ostfriesischen Schafe, den man einst von der besten Freundin geschenkt bekommen hat: Der Transport der Produktkomponenten an die verschiedenen Produktionsstandorte in heutiger Zeit verursacht nicht nur hohe Kosten, sondern auch einen enormen CO2-Ausstoß. Rund zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes geht auf die energieintensive Textilindustrie zurück. Davon entfällt ein großer Teil auf den Transport mit Flugzeugen und Containerschiffen. Die Textilindustrie ist damit einer der größten Emittenten der Welt. Neben dem CO2-Ausstoß gibt es aber auch weitere Umweltprobleme, wie die Verschmutzung von Flüssen, Seen oder Grundwasser durch Chemikalien und Sonderabfällen, die bei der Produktion vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern anfallen. Dass die Produkte der Bekleidungsindustrie bei uns so günstig sind, hat auch damit zu tun, dass es in den Produktions- und Weiterverarbeitungsländern nur geringe oder gar keine Umweltstandards gibt. Neben den geringen Kosten für Umwelt- und Naturschutz nutzen die meisten europäischen oder USamerikanischen Bekleidungskonzerne aber auch die billigen Arbeitskräfte, oft Frauen und Kinder, in Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder Kambodscha: Niedrige Löhne, kaum oder gar keine soziale Sicherung, Arbeitsschutz oder gewerkschaftliche Mitbestimmung führen zu Arbeitsverhältnissen, die der Sklaverei gleichen und immer wieder auch zu Menschenrechtsverletzungen führen. Zwischen 60 und 100 Euro verdienen Arbeiterinnen und Arbeiter beispielsweise in Bangladesch im Monat bei einer Arbeitsbelastung von bis zu 14 Stunden am Tag. Umgerechnet entfällt ein Prozent der Produktionskosten einer Jeans auf die Lohnkosten der Näher und Näherinnen. Auch bei geringen Lebenshaltungskosten in den Ländern des globalen Südens reichen die Löhne in der Textilindustrie oftmals nur knapp zum Überleben, worunter vor allem die Frauen und Kinder leiden. Die Billiglöhne tragen aber dauerhaft dazu bei, dass wir in Europa Kleidung wegwerfen und neu kaufen können, die uns nach kurzer Zeit nicht mehr gefällt. Mode und Lieferketten Beobachtet man die Entwicklung in deutschen Innenstädten oder Einkaufzentren, wird klar, dass der Bekleidungs- markt unter hohem Druck steht. Geschäfte verschwinden aus dem Stadtbild, neue entstehen, häufig Billiganbieter wie Primark oder KiK. Kleidung soll möglichst günstig sein. Modetrends wechseln wie die Jahreszeiten. Ob Verbraucherinnen und Verbraucher immer neue Kleidung wollen, weil das Angebot ständig wechselt, oder ob das Angebot ständig wechselt, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher es wollen, sei dahingestellt. Vieles landet auf dem Müll, bevor es verkauft und getragen wurde. Geschäfte wie Zara, H&M oder C&A kämpfen mit günstigen Preisen um Marktanteile und oft sogar ums Überleben. Ein Versuch, die Produktionsbedingungen transparent zu machen, sind die sogenannten Lieferkettengesetze, Der Autor Thomas M. Schimmel war fast 20 Jahre für den Franziskanerorden tätig und lehrt heute Politikwissenschaft an der Hochschule Meißen. die die Bundesregierung oder die Europäische Union verabschiedet haben. Sie sollen den Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen zu erkennen, welche Produkte unter fairen, ökologischen und menschenrechtskonformen Bedingungen hergestellt wurden und ihnen somit Argumente für oder gegen den Kauf eines Produktes an die Hand geben. Auch wenn Teile der Textilindustrie diese Gesetze für Bürokratiemonster oder ungerechte Gängelung ihres marktwirtschaftlichen Engagements kritisieren, sind sie doch hilfreich, Bewusstsein zu schaffen. Was tun? Denn eines sollte uns klar sein: Wenn wir Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin nur die günstigen Pro- dukte kaufen, Kleidung als Wegwerfartikel und Ramsch ansehen und jede Mode mitmachen, wird sich bei den unfairen und umweltzerstörenden Produktionsbedingungen nichts ändern. Initiativen wie die »Kampagne für saubere Kleidung« (https://sauberekleidung.de/) helfen bei der eigenen Kaufentscheidung und erhöhen den politischen Druck auf Unternehmen wie Adidas, Hugo Boss, sOliver, Primark oder Shein, sich endlich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und faire Preise einzusetzen. 15
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