Trugbilder abwehre.« Er macht ihn »aus raue- stem Stoff, damit er in ihm alle teuflischen Trugbilder abwehre«, außerdem »recht armselig und schmucklos, auf dass er der Welt in keiner Hinsicht als begehrenswert erscheine« (1C 22). In deutlichem Kontrast zu den schrillfarbigen Textilien seiner Jugend markiert die ungefärbte Wolle, wie sie von den Armen benutzt wird, unübersehbar auch den sozialen Standortwechsel, den die erste Generation der Minderbrüder radikal vollzieht. Dreifache Geburt Der Tuchhändlersohn wird dann zeitlebens eine besondere Sensibilität zeigen für die Botschaft dessen, was wir an unserem Körper tragen – oder eben auch nicht! Beide Regeln legen ausdrücklich eine Kleiderordnung fest (vgl. NbR 2; BR 2). Bis heute ist der Habit Ausdruck einer radikalen Brüderlichkeit, es gibt keinerlei Insignien oder textile Unterschiede für besondere Amtsträger, alle tragen dasselbe Gewand. Der Stoff außen soll zeigen, was das Herz innen bewegt: Die ersten Brüder »waren zufrieden mit einer einzigen Kutte, innen und außen geflickt, samt Strick und Hosen. Und mehr wollten wir nicht haben«, erinnert sich Franziskus im Testament (Test 16f). Das gilt dann auch umgekehrt: »Ich warne und ermahne meine Brüder, jene Leute nicht zu verachten oder zu verurteilen, die sie weiche und farbenfrohe Der Autor Cornelius Bohl ist Franziskaner und leitet das Kloster auf dem Frauenberg in Fulda. Als Sekretär für Mission und Evangelisierung schreibt er unter anderem das Vorwort dieser Zeitschrift. Kleider tragen sehen, sondern vielmehr soll jeder sich selbst verurteilen und verachten« (BR 2). Zur Demonstration solcher Bereitschaft, ehrlich zur eigenen Begrenzung zu stehen, kann dann selbst die armselige Kutte einmal fallen: So lässt sich Franziskus, um sich selbst öffentlich als Schlemmer anzuklagen, von einem Bruder »mit dem Strick, den er um den Hals trug, nackt vor das Volk führen« (Per 80). Ein anderer, der einen Armen geschmäht hatte, muss sich vor diesem nackt auf den Boden werfen und ihn um Verzeihung bitten (Per 114). Man hat von einer dreifachen Geburt bei Franziskus gesprochen: Seine Mutter schenkt ihm das Leben. Mit der Trennung vom Vater beginnt er sein Leben der Buße. Im Tod wird er geboren für das ewige Leben. Jedes Mal ist er nackt. Jedes Mal muss er seine Schutzlosigkeit und Ohnmacht annehmen. Jedes Mal wird ihm ein Durchbruch in ein neues Leben geschenkt. Franziskus und die Kleider: Was auf den ersten Blick wie eine spirituelle Modenschau aussieht, erzählt anschaulich die Geschichte von einem, der sich immer wieder auszog und umzog, um Schritt für Schritt das Christsein zu lernen. Franz gibt seinem Vater die Kleider zurück und verzichtet damit auf seinen Besitz. (Fresko von Giotto di Bondone, um 1295) 9
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