Und ich denke an die mich tief bewegende Begegnung mit einer Familie, ebenfalls aus Venezuela. Ich traf sie auf dem überfüllten, trostlos grauen und zugigen Busbahnhof in der Nähe unserer Gemeinde. Ich sehe heute noch den Kleinen im Tragetuch auf dem Rücken seiner Mutter, die beiden älteren Geschwisterkinder an ihrer Hand, ihren kleinen Rucksack mit dem Aufdruck »UNHCR«, der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen. Mir läuft heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, wie diese Mutter plötzlich eine Minitorte auf den Boden stellte, darauf eine Kerze entzündete und sie mit den Umstehenden dem Kleinsten ein Geburtstagslied sang. Ich fühlte mich reich beschenkt, diesen Moment dort miterlebt zu haben. Ein kurzer Moment nur, gleichzeitig so unendlich besonders berührend. Handeln aus Liebe Ich glaube, Gott, Du warst dort sehr gegenwärtig – geheimnisvoll mitten im Alltag. Schließlich ist das Licht, das in unsere menschlichen Dunkelheiten hineinleuchtet, eines der Lieblingsbilder Deines Sohnes. Und wieder: Nicht ich, sondern diese Familie, diese Menschen haben mich missioniert, geheimnisvoll mit Dir verbunden. Berufung sei das Wagnis, sich auf eine konkrete Erfahrung einzulassen, hörte ich einmal in einer Predigt. Und: Berufung sei nicht die persönliche Wahl des Einzelnen. Der Mensch füge sich vielmehr sein ganzes Leben lang ein in diesen Prozess. Du würdest nicht warten, bis ich Dir grünes Licht gebe, mich zu rufen. Du seist es, der die Initiative ergreife. Mein Beitrag sei, einzuwilligen. Dabei gehe es oft um Berufungen in kleiner Münze, wie der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer es sinngemäß nannte: ein kleines Gebet für jemanden, eine Tat aus Liebe und Barmherzigkeit oder eine Tat der Gerechtigkeit. Allen Berufungen gemeinsam: Wer sich darauf einlasse, dem gehe es wie den EmmausJüngern (Lukas 24). Ihnen brannte das Herz. Dir, Du geheimnisvoller Gott, Dank für so viele mich mit ihrer Hoffnung und ihrem Glauben berührenden Menschen! Der Autor Frank Hartmann ist Guardian im Franziskanerkloster in Dortmund und Seelsorger im Pastoralen Raum Dortmund-Mitte. Von 2022 bis 2025 arbeitete er in der Herberge »Santo Hermano Pedro« für Migrierende in Mezquital, Guatemala. Alle Hände voll zu tun beim Patronatsfest der Pfarrgemeinde »Díos con nosotros« (»Gott mit uns«) 12 | 13
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