Franziskaner Mission 4 | 2025

Liebe Leserin, lieber Leser! TITEL Das Titelfoto ist diesmal ein Symbolbild. Ein Franziskaner legt ein Tau-Kreuz aus Olivenholz in offene und damit empfangende Hände. So könnte man sich den tieferen Sinn der Franziskaner Mission vorstellen. Mit der konkret gelebten Solidarität in den zahlreichen Projekten weltweit werden auch Werte der Spiritualität eines Franziskus von Assisi weitergeschenkt: Gerechtigkeit, Einfachheit, Geschwisterlichkeit, Friedensliebe, Sorge um Gottes Schöpfung. Daraus erwächst tiefe Dankbarkeit sowohl bei den Beschenkten wie auch bei den Gebenden. Von Francis Bacon stammt das Wort: »Nicht die Glücklichen sind dankbar – es sind die Dankbaren, die glücklich sind.« Selbstoptimierung – für mich ein ambivalenter Begriff. Vieles davon ist unter heute leicht antiquiert klingenden Bezeichnungen schon lange vertraut: sich mühen, einen Vorsatz fassen, an sich arbeiten. Es ist gut, Ziele zu haben und sich nicht einfach hängen zu lassen. Selbstoptimierungszwänge können einen Menschen aber auch zerstören, wenn der Druck, immer und überall der Beste sein zu müssen, den realistischen Blick für die eigenen Möglichkeiten und die eigenen Grenzen verliert. Ich kann mich nicht neu erfinden. Wohl aber kann ich Talente entdecken und entfalten. Sie wurden mir »in die Wiege gelegt«, sagen wir. Auch unser schönes deutsches Wort »Begabung« erinnert daran, dass mir da etwas gegeben wurde. Überhaupt kann ich sehr vieles, was im Leben wichtig ist, nicht »machen«: Vertrauen, Freundschaft, Liebe, Treue oder Versöhnung, das alles wird mir geschenkt. Wer beschenkt wird, fragt schon einmal: »Womit habe ich das verdient?« Wenn es wirklich ein Geschenk war, ist die Antwort einfach: durch nichts! Das ist dir geschenkt. Man sollte denken, jeder wäre froh, wenn er beschenkt wird. Aber es gibt Menschen, die wollen und können sich nicht beschenken lassen: »Womit kann ich das wieder gutmachen?«, fragen sie dann. Es ist nicht leicht, ein Geschenk einfach nur dankbar anzunehmen, ohne sich gleich mit einem möglichst größeren Gegengeschenk revanchieren zu wollen. Der Geber ist in der stärkeren Position. Tatsächlich kann man mit Geschenken Macht ausüben. Es gibt vergiftete Geschenke, die Abhängigkeiten konstruieren. Und es gibt überraschende Geschenke, die mich einfach nur ganz tief froh und dankbar machen. »Wir haben entschieden, dass wir uns zu Weihachten nichts schenken!« Manchmal höre ich das. So ein Entschluss kann sinnvoll sein, um sich einem letztlich leeren, kommerziellen Konsumterror zu entziehen. Wie arm aber würde mein Leben, wenn ich tatsächlich verlernen würde, etwas zu schenken und mich beschenken zu lassen. So merkwürdig es klingt: Gerade frommen Christen fällt das oft besonders schwer. Wir meinen dann, wir müssten wie kleine Kinder besonders brav sein, um uns die Liebe Gottes zu verdienen. Zugleich beurteilen wir andere erbarmungslos nach ihren vermeintlichen moralischen Leistungen oder ihrem Versagen. Dabei ist das Beschenktwerden die Mitte des Glaubens: »Gott schenkt uns seinen Sohn«, singen wir an Weihnachten, er schenkt uns sich selbst – und nur darum machen dann auch wir uns Geschenke! Seine Zuwendung ist reine Gnade. Ein schwieriges Wort, auf Latein heißt es gratia: Alles ist gratis! Schenken und dabei selbst froh werden. Sich beschenken lassen, und dabei tiefe Dankbarkeit empfinden. Das sind große Weihnachtsthemen. Vor allem aber sind es große Lebensthemen. Das vorliegende Heft der Franziskaner Mission will sie wieder neu bewusstmachen. Schließlich sind es ja auch wichtige Themen für unsere weltkirchliche Arbeit. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. P. Cornelius Bohl ofm Sekretär für Mission und Evangelisierung 3

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