Franziskaner Mission 4 | 2025

Im Heiligsprechungsprozess der heiligen Klara von Assisi erzählen die Schwestern, die mit ihr zusammengelebt haben, das Leben mit Klara sei voller Wunder gewesen. Das klingt nach: »überraschend«, »unberechenbar«, in jedem Augenblick auf Gottes Geschenke eingestellt. So ist es auch gewesen – und das gilt heute immer noch. Zwar betteln wir Klarissen nicht mehr von Tür zu Tür, leben aber immer noch von »Almosen«, von den Gaben, mit denen die Menschen uns Schwestern unterstützen. Und das erfahren wir oft genug als Wunder. Absichtslose Liebe Sich franziskanisch-klarianisch beschenken lassen Zu den Almosen gehören Geldgeschenke, mit denen wir Krankenkassenbeiträge und notwendige Alltagsausgaben wie Strom und Heizung bezahlen, ebenso wie Naturalien, Medikamente, Haushaltswaren – was auch immer für das alltägliche Leben notwendig ist. Das ist gelebtes Vertrauen, in dem oft gilt: Was wir brauchen, haben wir; und was wir nicht haben, brauchen wir offensichtlich auch nicht. Und das, was wir wirklich brauchen, lernen wir oft erst dann kennen, wenn wir es nicht haben. Schenken mit Würde Eines dieser Alltagswunder begann zum Beispiel vor über 20 Jahren: Da lag an jedem Samstagmorgen vor unserer Tür eine kleine Tüte mit Obst. Eines Tages sahen wir den Spender: Ein kleiner Junge von damals vier Jahren huschte herein, während seine Mutter auf der Straße wartete, und legte seine Tüte schnell vor die Tür. Als die Mutter uns sah, meinte sie lachend: »Er möchte es so gern tun!« Der Kleine wurde älter, brachte sogar mal seine Freunde mit, die er uns vorstellte. Inzwischen sind mehr als zwei Jahrzehnte vergangen und seine Geschwister und die ganze Familie kommen immer noch manchmal samstags, um uns zu beschenken und ein kleines Gespräch mit der jeweiligen Pfortenschwester zu führen. Das scheint mir der tiefste Sinn des Schenkens zu sein: Es geht nicht einfach nur darum, materielle Dinge weiterzugeben, sondern um die Beziehung, die darin entsteht und bleibt. Um die Dankbarkeit für das geteilte Leben und die absichtslose Liebe, die darin zu einem lebendigen Licht wird. Und wer dankbar ist, kann nicht unglücklich sein. Sich beschenken lassen kann nur, wer sich selbst nicht als unabhängiges autarkes System versteht, wer Bedürfnisse nicht als Systemmängel ansieht und wer nicht meint, seine Freiheit zu verlieren, wenn er etwas annimmt, was er nicht selbst verdient hat. Aber: Wenn jemand sich nichts schenken lassen kann, hat er oder sie die Freiheit längst verloren. Wir sind keine autarken Wesen, sondern im Menschsein liegt schon die Bedürftigkeit begründet. Und die Geschenke, die auf unsere Bedürftigkeit antworten, sind oft ganz praktische Dinge. Eines Tages gab es zum Frühstück die letzte Scheibe Käse aus dem Vorrat, was uns nicht weiter beunruTEXT: Sr. M. Ancilla Röttger OSC | FOTOS: Stefan Federbusch ofm higte, denn Käse gehört nicht zum Lebensnotwendigen. Ganz überraschend kam mittags mit der Post ein Paket aus dem Allgäu. Die Absenderinnen waren uns bekannt, denn ab und zu schickten sie uns ein Päckchen mit immer gleichem Inhalt, und zwar roten Lichtchen und Traubenzucker. Dieses eine Mal war es aus unerklärlichen Gründen anders: In dem Paket war nur Käse! Da bleibt nur Dankbarkeit. Einmal brachte uns ein Freund von der Straße, der sich bei uns immer ein Brot holte, eine ganze Tüte frischer Brötchen, die er geschenkt bekommen hatte. Für ihn war es zu viel, aber er meinte, wir würden sie doch an andere austeilen. Es gäbe viele weitere Beispiele für diese Überraschungen zu erzählen. Was immer uns gebracht wird, teilen wir mit denen, die noch weniger haben. Im Laufe des Tages klopfen viele bei uns an, die sich etwas zu essen holen. Viele kommen täglich. Hl. Franziskus von Assisi 8

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