19.11.2025 Bruder Johannes B. Freyer

Die heilige Elisabeth im Licht von Eros und Agape

Impuls zum Gedenktag der heiligen Elisabeth von Thüringen am 19. November

Eros und Agape als Liebespaar charakterisieren christliche Heilige? In der christlichen Spiritualität war dies jahrhundertelang undenkbar – und vielleicht auch heute noch in manchen frommen Köpfen. Eros, das heidnische Verlangen, ist auf egoistische Ziele ausgerichtet und wegen seiner sexualisierten Untertöne verpönt. Agape hingegen ist die selbstlose Hingabe, die nur an den anderen denkt und sich im demütigen Dienst verzehrt. Sie ist ein Abbild der Liebe Gottes, wie sie im irdischen Leben Jesu Christi deutlich wird. Klar, dass viele Richtungen der christlichen Spiritualität den Eros mit strenger Askese unterdrückten und oft in die Nähe der Sünde rückten, während ein Leben in aufzehrender Agape für den christlichen Weg der Heiligkeit eine Notwendigkeit war.

Elisabeth von Thüringen (1207-1231)

Der Blick auf die franziskanische Heilige Elisabeth von Thüringen, eröffnet – soweit es die Quellen erlauben – eine andere Perspektive. Eros und Agape gehören zusammen wie ein Liebespaar und formen den Weg zur Heiligkeit. Das Leben von Elisabeth, ihre Zuneigung zu ihrem Mann Ludwig und ihren Kindern sowie ihre Liebe zu den Armen und Bedürftigen ist ohne Eros nicht vorstellbar.

Die Berichte und Erzählungen über ihr Leben werfen Licht auf die Bedeutung des Eros: Es ist Sehnsucht, Hinwendung und Begeisterung für den anderen. Es ist das Bedürfnis, für den anderen da zu sein. Genau diese Vitalität des Eros lässt Elisabeth die Nähe zu Gott, zu ihrem geliebten Mann, zu den Kindern und zu dem ihr anvertrauten Volk suchen. Gerade angesichts der Widerstände in der eigenen Familie, am landgräflichen Hof und später bei ihrem geistlichen Begleiter, dem rigiden Konrad von Marburg, gibt ihr der Eros für Gott und den Nächsten die Lebenskraft, sich liebend den Armen zuzuwenden und in ihnen Jesus Christus zu sehen. Es ist dieser Eros für Gott, der sie alle Schmach, den Tod ihres Mannes und die gewaltsame Trennung von ihren Kindern ertragen lässt, um ihrem Weg an der Seite der Armen treu zu bleiben. Ohne diesen Eros wäre ihre Hingabe, ihre demütige, dienende Agape blutlos geblieben. Ohne Eros hätte sie den konsequenten Weg der Nachfolge Jesu Christi, so wie sie ihn verstand, vielleicht nicht in der außerordentlichen Hingabe und Agape, von der berichtet wird, durchgehalten. So gehörten Eros und Agape in ihrem Leben untrennbar zusammen.

Das Leben Elisabeths wurde auch geprägt durch die Ankunft der ersten Minderbrüder in Eisenach. Das Armutsideal der Franziskaner in der Nachfolge der Fußspuren des Herrn Jesus Christus hat sie beeindruckt. Sie mag über die ersten Brüder von Franziskus gehört haben. Auch sein Leben verweist auf die Zusammengehörigkeit von Eros und Agape in der Nachfolge der Fußspuren der Armut und Demut Jesu Christi. Der Eros für Gott klingt in den Worten des Franziskus immer wieder an, wie zum Beispiel im 22. Kapitel der Nicht-bullierten Regel. Mit biblischen Anklängen fordert Franziskus die Brüder auf, sich mit Eros Gott zuzuwenden. „Lasst uns alle aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzer Gesinnung, aus aller Kraft und Stärke, mit ganzem Verstand, mit allen Kräften, mit ganzer Anstrengung, mit ganzer Zuneigung, mit unserem ganzen Inneren, mit allen Wünschen und aller Willenskraft Gott den Herrn lieben, der uns allen den ganzen Leib, die ganze Seele und das ganze Leben geschenkt hat und schenkt, der uns erschaffen hat, erlöst hat und uns einzig durch sein Erbarmen retten wird …

Ob Elisabeth von diesen oder ähnlichen Worten gehört hat, bleibt Spekulation. Aber sie wird etwas von dem Eros verspürt haben, mit dem die ‚franziskanischen‘ Wanderprediger das Evangelium verkündeten und in dienender Agape lebten. Im Leben Elisabeths und anderer Heiliger wird deutlich, dass Agape ohne Eros wohl der christlichen Pflichterfüllung zu entsprechen vermag. Der Eros vermag diese pflichterfüllende Agape in sichtbare Liebe zu verwandeln.

Papst Johannes Paul II. hat dies in seiner Katechese am 5. November 1980 so zusammengefasst: „Der Eros und das Ethos der Agape sind gerufen, sich im Herzen der Menschen zu begegnen und durch diese Begegnung Frucht zu bringen.

Im Herzen der Heiligen Elisabeth sind sich Eros und Agape begegnet und haben durch ihr Leben reiche Frucht gebracht.


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