
In der Mensa des Franziskus-Gymnasiums in Vossenack gibt es ein markantes, farbig leuchtendes Wandbild. Der Franziskaner und Künstler Pater Laurentius Englisch hat es mit Schülerinnen und Schülern gemalt: den Sonnengesang des heiligen Franziskus.
Oben breitet Schwester Sonne ihre Arme aus, ein Strahlenkranz aus Licht und Leben. Darunter schlängelt sich ein Fluss, spiegelt das Leuchten, nährt die Erde. Schwester Wasser spielt in ihrem Element. Ein Baum trägt rote, reife Früchte. Alles atmet. Alles ist miteinander verbunden. Wer lange schaut, beginnt zu hören: ein Lied. Nicht in Tönen, sondern im Zusammenklang. Sonne und Wasser, Erde und Feuer, Mensch und Tier – alle Geschöpfe stimmen ein in ein einziges Laudato si’.
So hat Franziskus die Welt gesehen. Vor 800 Jahren, krank und fast blind, dichtete er den Sonnengesang. Kein Klagelied, sondern ein Lobgesang. Weil er wusste: Gott ist mittendrin – im Glanz der Sonne und im Schatten der Nacht, in Freude und Schmerz, im Leben und im Tod.
Vielleicht ist es genau das, was wir heute brauchen. Die Welt ächzt. Klimakrise, Kriege, Ungerechtigkeit. Wir könnten verzweifeln. Franziskus aber lädt uns ein, die Dinge anders zu sehen: die Erde nicht als Besitz, sondern als Schwester. Die Schöpfung nicht als Ressource, sondern als unser gemeinsames Haus. Wir sind Gäste – und zugleich Hüter.
Was wäre, wenn wir neu lernen, staunend zu leben? Über die Sonne, die uns wärmt. Über das Wasser, das den Durst stillt. Über die Erde, die uns trägt. Über Menschen, die uns Hoffnung schenken, weil sie teilen, vergeben, Frieden wagen.
Der Sonnengesang ist mehr als ein altes Gedicht. Er ist eine Melodie fürs Leben. Ein Bild, das Gott durchscheinen lässt – wie das Wandbild in Vossenack. Eine Erinnerung: Wir gehören zusammen. Wir sind Teil eines großen Liedes, das Himmel und Erde verbindet. Möge der Sonnengesang in unseren Herzen weiterklingen: leise, trotzig oder jubelnd – immer aber als Lied der Hoffnung.