15.08.2025 Bruder René Walke

Die Arbeitsmoral der Deutschen

| Jetzt | Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt und uns besorgt, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder René Walke

Bei der derzeitigen Debatte um die, laut Unionspolitikern, so faule und bequemliche Arbeitsmoral der Deutschen fällt mir ein Cartoon ein:

Bei der Rentenversicherung steht eine alte Frau vor einem Beamten, der hinter seinem Schreibtisch sitzt, und sagt: „Zuerst habe ich meine vier Kinder großgezogen, dann die Enkel, dann habe ich mich um Obdachlose gekümmert, mit der Caritas die Einsamen besucht und schließlich meinen alten Vater gepflegt …“ Die kurze Zusammenfassung des Beamten für seine Akten lautet: „Sie haben also nie gearbeitet.“

Besonders Frauen stehen im Fokus der Regierung, da viele in Teilzeit arbeiten. Auch wenn traditionelle Familienkonzepte zu Recht einem Wandel unterliegen und mehr auf Gleichberechtigung geachtet wird, ist die Realität doch oftmals weiterhin so, dass die Kindererziehung zum großen Teil bei den Müttern angesiedelt ist. Wenn diese nun mehr arbeiten sollen, hunderttausende Kitaplätze fehlen und auch finanziell durchs Ehegattensplitting außer für den Staat fast nichts dabei herauskommt, ist es für mich alles andere als faul und bequem, sich gegen Mehrarbeit und für Familie zu entscheiden.

Ist es naiv oder kommunistisch oder franziskanisch, wenn mir hier wieder der Gedanke kommt, dass es ungerecht ist, wie ungleich Arbeitsleistung und Vermögen zur Unterstützung unseres Staates herangezogen werden?

Wenn wir den Wohlstand laut CDU-Politikern mit der derzeitigen Haltung nicht erhalten können, besteht dann nur noch die Möglichkeit, mehr zu arbeiten? Geht es denn über allem nur um Wohlstand? „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand …“ Möchten wir die Freiheit drangeben und uns vom Wohlstand versklaven lassen?

Ich weiß in diesem komplexen System natürlich nicht alles besser und die Lösung, doch ist der Blick für mich einseitig auf die moderne Arbeitswelt und ihre Bedürfnisse, Forderungen und Erwartungen gerichtet und verliert zunehmend die Bedürfnisse des Menschen aus dem Fokus.


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de


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