13.06.2025 Pater Thomas Ferencik

Ohne Leid keine Kirche?

Oft ist das, was uns beschäftigt und uns besorgt, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Pater Thomas Ferencik
Pater Thomas Ferencik

Was würde unsere Kirche machen, wenn es kein Leid gäbe, wenn alles perfekt wäre und die Welt in Frieden leben könnte? Die Predigt würde sich erübrigen, viele Gebete müssten umgeschrieben werden, viele Lieder könnten nicht mehr gesungen werden und die Kollekte wäre für den Eigenbedarf. Ohne Leid und Sünde hätte unsere Kirche ein großes Problem. Das zeigt sich etwa in dem Tagesgebet: „Allmächtiger Gott, noch lastet die alte Knechtschaft auf uns, noch drückt uns das Joch der Sünde“. Weil wir Christen Erlösung predigen, muss es auch etwas zu Erlösendes geben. Das wird jedem klar, wenn er einen Gottesdienst besucht oder sich mit der Theologie des Kreuzes auseinandersetzt.

Nun wäre aber die Frage, ob solch eine Kirche, die Leid und verkündete Erlösung quasi als Daseinsberechtigung nutzt, für Menschen ansprechend ist, denen es gut geht – die nicht leiden und die auch nicht erlöst werden wollen? Fühlen sich Menschen angesprochen, die lieber einen Wellness-Aufenthalt in der Kirche hätten oder einfach nur Leute treffen wollen, um Fun zu haben? Was ist mit denen, die nicht die ganze Welt verbessern wollen oder womöglich andere Institutionen nutzen, um sich in die Gesellschaft einzubringen?

Natürlich gibt es Unvollkommenes, Leid und Sünde – und nicht wenige Menschen brauchen die erlösende Botschaft. Aber es gibt eben auch viele Menschen, die sich gut fühlen und keine Erlösung benötigen oder wollen.

Leid und Erlösung sind nicht gerade Themen, mit denen man in unserer Zeit punkten kann. Das zeigt uns vermutlich auch die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder. In meinem Umfeld mit jüngeren Menschen kann ich jedenfalls eine gewisse Distanz zu diesen Themen erkennen. Stattdessen wünscht man sich Gemeinschaft oder Freundschaft oder einen Raum des Wohlfühlens. Also wie wäre es zuweilen mit einer Theologie des Lachens und des Humors. Meine Einladung würde dann nicht lauten: „Kommt alle, die ihr mühselig und beladen seid“, sondern: „Kommt alle, die ihr einfach nur Leute treffen und Spaß haben wollt.“

Herr, schenke mir Sinn für Humor,
gib mir die Gnade,
einen Scherz zu verstehen,
damit ich ein wenig Glück kenne im Leben
und anderen davon mitteile.
(Sir Thomas More)


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
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